Exklusiv-Treff in New York mit Paul Simon


Zwei Jahre lang schwieg er. Mittlerweile ist es gut 18 Monate her, seit sein erstes Solo-Album erschien. Titel: 'Paul Simon'. Ein schönes Album, das so klang wie die Hälfte von Simon und Garfunkel. Jetzt ist Paul's zweites Solo-Album erschienen. Es zeigt, dass der Ex-Partner von Art Garfunkel einen neuen Weg gefunden und einen neuen Anfang gewagt hat: 'There Goes Rhymin' Simon' (siehe auch Longplaylook). Exklusiv für Musik Express brach Paul Simon sein Schweigen und lud ME-Redakteur Lutz Wauligmann in New York zu einem offenen Gespräch ein:

Paul, Du hast gerade nach langer, langer Zeit In diesen Tagen drei ‚Live‘-Auftritte gemacht. Wie machst Du das ohne Deinen Partner Art Garfunkel?

Paul: Nun, es gibt zwei Gruppen, zu denen ich musikalisch eine sehr enge Beziehung habe. Sie sind auch auf meinem neuen Album ‚There Goes Rhymin‘ Simon‘ zu hören. Wenn der Vorhang hochgeht, komme ich zunächst alleine auf die Bühne und singe etwa 5-6 Songs, wobei ich mich natürlich auf ner akustischen Gitarre begleite. Danach stelle ich ‚Urubamba‘ vor, eine lateinamerikanische Gruppe, die aus ungefähr 2/3 der inzwischen aufgelösten ‚Los Incas‘ besteht. Besonders gerne spiele ich mit ‚Urubamba‘ die alten Titel ‚El Condor Pasa‘ und ‚The Boxer‘, weil der Flötensound dazu wie die Faust aufs Auge passt. Nach der Pause komme ich erneut alleine mit Gitarre. Nach etwa einer Viertelstunde stelle ich dann die ‚Jessy Dixon Singers‘ vor. Das ist eine Gospel-Gruppe. Jessy spielt Orgel und singt, ein Bassist ist da noch und drei Mädchen bilden den Background-Chor. Mit den ‚Dixon Singers‘ spiele ich u.a. ‚Bridge Over Troubled‘ Water‘, The Sound Ot Silence‘ und ‚Mother And Child Reunion‘. Diese alten Songs gefallen mir deshalb heute noch, weil ich sie neu arrangiert habe. Den Hauptbestandteil eines Auftrittes stellen natürlich die Nummern von meinen zwei Solo-LPs dar.

Du hast Dein neues Album an sovielen verschiedenen Orten aulgenommen …

Paul: So viele sind es ja nun auch wieder nicht. Das meiste hab‘ ich in Alabama aufgenommen, ein oder zwei Songs hier in New York, einen in England und einen in Jackson (Mississippi).

Warum?

Paul: Wegen der Musiker. Ich gehe immer dorthin, wo die Musiker zuhause sind, mit denen ich aufnehmen will. Mit Quincy Jones wollte ich in Los Angeles aufnehmen; da er aber gerade zusammen mit Roberta Flack für ein Konzert nach New York kam, brauchte ich mal einmal nicht zu reisen.

Hat es lange gedauert, sie alle aufzutreiben?

Na, so ungefähr vier Monate. Die meisten von ihnen kannte ich schon. Einige andere hab‘ ich in dieser Zeit zufallig getroffen.

Du scheinst Dich fast ausschliesslich mit Musik zu beschäftigen …

Paul: Du meinst, ich …

Ich meine, das ist Ja nichts Schlimmes …

Paul: Ja, das ist richtig. Von dem Moment an, wo ich die Arbeiten am neuen Album abgeschlossen hatte, ging ich dazu über, meine nichtmusikalischen Talente auszukramen. In diesem Augenblick kümmere ich mich zum Beispiel um Public Relation . . . Musik ist, was ich am meisten mag, aber ich finde den ganzen Produktionsprozess faszinierend. Der grösste Spass ist für mich das Komponieren und Songschreiben. An zweiter Stelle kommen die Aufnahmen im Studio. Das ‚Abmixen‘ der Tonbänder rangiert an dritter Stelle. Interviews und Promotion, das gehört eher zu meinen Pflichtübungen.

Du hast Deine Auftritte garnicht erwähnt . ..

Paul: Damit hab‘ ich in den letzten drei Jahren auch nicht allzuviel zu tun gehabt. Gerade letztes Wochenende bin ich zum ersten Mal wieder vor einem Publikum aufgetreten.

Bist Du gerne Dein eigener Produzent?

Paul: Nicht unbedingt, weil es sehr viel Zeit erfordert. Aber es gibt keine Wahl. Es geht um meine Musik. Ich kann doch nicht einfach zu jemand anders sagen: ‚So, hier ist mein Song, hole mal ein paar Musiker ins Studio, mach‘ das Play-Back, ich komm‘ dann vorbei, und wir nehmen kurz eben den Gesang auf.‘ ‚Produzieren‘, weisst Du, das Wort hat für jeden Musiker eine andere Bedeutung. Weil ich genau weiss, was ich für musikalische Vorstellungen habe, fühle ich, dass ich sie auch selbst realisieren muss.

Hat es Deine Musik irgendwie beeinflusst, als Du vor nun schon immerhin etwa 10 Jahren zusammen mit Artie Garfunkel bekanntgeworden bist?

Paul: Vielleicht. Wahrscheinlich bin ich noch immer mehr ein Songschreiber als ein Musiker. Was die Musik betrifft: Vor einigen Jahren habe ich eine Zeitlang klassische Gitarre studiert – das hat mich sicher gewaltig beeinflusst. Zu der Zeit nahm ich gerade ‚Bridge Over Troubled Water‘ auf, wobei meine neu erworbenen Kenntnisse über Orchestration nicht gerade unwichtig waren. Mein frühester musikalischer Einfluss war der einfache Rock’n’Roll aus den fünfziger Jahren. Um 1960 herum hat mich dann die Folk-Music-Welle berührt. Damals ging ich mit Artie (Garfunkel) nach England und wohnte dort ’ne Zeitlang mit Sandy Denny in einem Haus. In England lernte ich so richtig, ‚live‘ aufzutreten, weil ich damals als Solist viele Gigs in Clubs spielte. Als ich mal nach Paris fuhr, lernte ich die ‚Los Incas‘ kennen; das war 1965. An eine Sache erinnere ich mich noch genau: Auf dem Weg von Liverpool nach London habe ich ‚Homeward Bound‘ geschrieben.

Welche Beziehung hast Du heute zu Art Garfunkel?

Paul: Ich hab ihn seit seiner Hochzeit im Oktober nicht mehr gesehen, aber vor einer Woche hab‘ ich noch mit ihm telefoniert. Zum ersten Mal seit ungefähr 6 Monaten. Er hatte sich mein Album angehört, und ich fragte ihn, wie er es fand.

Und wie fand er es?

Paul: Well, er sagte, es gefiel ihm. Er arbeitet momentan auch an einer Solo-LP in San Franzisko. Ansonsten redeten wir am Telefon nur belangloses Zeug ….. Wie geht es Dir?“ „Ich hab‘ mir das Derby in Kentucky angesehen.“ „Zum Derby, bist Du verrückt, all die vielen Leute…“ Kommt es oft vor, dass man Dich auf der Strasse erkennt?

Paul: Ja, ziemlich oft. Es macht mir aber nichts aus. Man lässt mich in Ruhe. Die Leute auf der Strasse sind ziemlich cool. In England ist das ein bisschen anders. Da kam ein Mädchen nach einem Konzert und küsste mich einfach. Ich glaube, in New York würde das keiner tun. Sie war übrigens ein steiler Zahn . . . Was Artie betrifft: Wir sind im Moment zwar keine sehr engen Freunde, die sich jeden Tag sehen, aber wir sind auch keine Feinde, wie manche Leute vielleicht annehmen. Für sein nächstes Album haben wir sogar einen Song von mir zusammen aufgenommen, aber die alten Simon & Garfunkel-Zeiten sind irgendwie vorbei . . .