Kritik zum Western „Feinde“: Christian Bale testet die Grenzen des Genres aus


Relevantes aus dem Wilden Westen: Christian Bale konfrontiert Indianer, Outlaws und innere Dämonen.

In einem Streit über das Western-Genre erklärte mir ein geschätzter Kollege unlängst, er habe den Western nie gemocht, weil es darin um das „Zelebrieren von weißer, männlicher Macht“ gehe. Das ist natürlich ein starker Punkt. Aber auch ein ebenso verzerrter und um Revisionismus bemühter Blick wie das markige Statement im amerikanischen Punkrock in den frühen 80ern: John Wayne was a Nazi.

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Im Western wimmelt es von gebrochenen Figuren, die Unverzeihliches verbrochen haben, nicht zuletzt der von Wayne gespielte Rassist Ethan Edwards, den John Ford in „The Searchers“ aus der Gesellschaft ausstößt. Nicht einmal der altruistische Akt der Rettung seiner Nichte kann verhindern, dass sich am Ende die Tür vor dem ewig Getriebenen schließt. Er muss draußen bleiben, weil in einem zivilisierten Amerika kein Platz ist für ihn, der für die Urbarmachung des Landes gemordet und geplündert hat. Der Western ist – neben dem Musical – das größte amerikanische Genre, nicht weil er weiße Überlegenheit feiert, sondern weil er Amerika den Spiegel vorhält und es ihn in dieser Form nur im Kino geben kann: eine weiße Leinwand, die der Filmemacher innerhalb der gegebenen Parameter füllen kann, um Ideale, Träume und Wünsche neu zu evaluieren.

Grenzenloser Hass auf Indianer

Dass der Western im Jahr 2018 anders aussieht als vor 100 Jahren, als das Genre geboren wurde – noch vor der Großen Depression und dem Zweiten Weltkrieg – ist ein Attest für die Vitalität der Form: Waynes Figur in „The Searchers“ ist auch deshalb ein guter Anhaltspunkt, weil Captain Joseph J. Blocker, die von Christian Bale gespielte Hauptfigur in Scott Coopers’ „Feinde – Hostiles“, unmittelbar nach Ethan Edwards geformt scheint: ein mit allen Wassern gewaschener Karrieresoldat und Kriegsheld, dessen Hass auf die Indianer nach zwei Jahrzehnten unentwegter Kämpfe mit mehreren Stämmen keine Grenzen kennt.

Dass er nun auf eine letzte Mission in die Weiten der Frontier geschickt wird, um ausgerechnet einem ältlichen ehemaligen Cheyenne-Häuptling sicheres Geleit in das Herkunftsland seiner Väter zu gewähren, ist, als würde man auf einem offenen Pulverfass mit drei brennenden Fackeln jonglieren: Man weiß, dass es hochgehen wird. Aber wie sich die Geschichte entwickelt, wie diese harten Männer auf die Probe gestellt und ihre Überzeugungen getestet werden, das kann nur ein Western so erzählen. Ein Western aus dem Jahr 2018 wohlgemerkt, der auch daran rüttelt, wofür das Genre in den letzten 100 Jahren gestanden hat.

„Feinde – Hostiles“ startet am 31. Mai in den deutschen Kinos. 

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