Fleetwood Mac


Der Name „Fleetwood Mac“ weckt Erinnerungen an eine britische Blues-Band aus den sechziger Jahren, an Hits wie „Albatros“ und „Oh, Well“. Nach langer Zeit zum erstenmal wieder durch Deutschland tourte jetzt jedoch eine Gruppe, die sich völlig verändert hat: Fleetwood Mac gehört mittlerweile zur amerikanischen Musikszene und bringt erstklassigen Mainstream-Rock. Gleich wohl hat die Band auch hierzulande mehr Erfolg denn je.

Da hänge ich also in den weichen Sitzen des Inter-City nach Düsseldorf, starre auf deutsche Industrielandschaft und stelle mir vor, ich läge auf einer Wiese im alten englischen Kurort Bath — wie vor sieben Jahren, Ende Mai 1970. Die Gitarren von Peter Green, Danny Kirwan und Jeremy Spencer singen den langsamen Teil von „Oh Well“ in den Nachthimmel, bis um Mitternacht die Behörden den Strom abschalten; das ironische Ende eines wunderschönen, aber traurigen Konzertes, denn das war Peter Greens letzter Auftritt mit Fleetwood Mac, das Ende einer erfolgreichen Karriere, das Ende eines wahrhaft begnadeten Rockgitarristen, der in einer Reihe mit Clapton,Hendrix und Duane Allmann steht.

An jenem Abend vor sieben Jahren begann für Green der verwirrende Weg, der vor kurzen mit seiner Einlieferung in eine Nervenheilanstalt den vorläufigen Abschluß fand.Für seine Band Fleetwood Mac begann eine Odyssee,die kreuz und queT über den Atlantik durch magere lange Jahre führte, durch eine Zeit von

permanenten Umbesetzungen mit stilistischen Richtungsänderungen.zermürbenden Tourneen, betrügerischen Managern,durch eine Zeit der Nichtbeachtung und des kommerziellen Mißerfolgs. Ihre Platten kamen mal bis-Nummer 70, mal bis 50 in den amerikanischen Charts….bis zum weißen Album(,,Fleetwood Mac“).Aber man darf nicht vergessen, daß vor allem Christine McVie mit ihrer spröden, aber äußerst erregenden Stimme und mit ihren simplen Songs wie „Spare me a little“ auf den LP’s „Penguin“ „Mystery To Me“ und „Hereos are Hard to find“ fast so etwas wie einen Kult unter der wachsenden Schar alter und neuer Fans geschaffen hatte.

Die Geschichte, wie Drummer Mick Fleetwood das kalifornische Songschreiberpärchen Lindsey Buckingham und Stevie Nicks anheuerte,nachdem Bob Welch die Band verlassen hatte, ist ja mittlerweile Legende. Jedenfalls schienen die neuen Mitglieder Wunder zu wirken. Nach nur zehn Tagen des Probens und Eingewöhnens nahm die neue Fleetwood Mac das Album auf, das fast ein Jahr in den amerikanischen LP-Top Ten stand, vier Millionen mal verkauft wurde, drei Single-Hits abwarf und zum größten Erfolg in der Geschichte von Warner Bros, wurde. Die langerwartete Nachfolge-LP „Rumours“ scheint das alles noch übertreffen zu wollen; ohne Tournee (d.h. also ohne große Werbung) waren in den USA nach einigen Wochen schon eineinhalb Millionen Exemplare verkauft — Fleetwood Mac sind mit den Eagles die erfolgreichste Rockgruppe Amerikas.

Poltergeist im Karnevalsfummel

Und nun sitze ich also im Zug nach Düsseldorf, um Fleetwood Mac auf ihrer ersten Europa-Tour nach dem Durchbruch zu sehen. Einige Konzerte (darunter das in Hamburg) wurden abgesagt, um Ruhepausen für Stevie Nicks, Sängerin und optischer Anziehungspunkt, zu schaffen, denn sie leidet unter den berüchtigten Knoten auf den Stimmbändern. Aber daß Stevie für mich zur großen Enttäuschung des Auftritts wurde,lag nicht nur an der brüchigen Stimme; stellenweise sang sie einfach falsch, besonders auffällig in „Landslide“, und im Gegensatz zu den überaus reizvollem Bild, das sie auf Photos und Plattenhüllen abgibt, wirkte sie auf der Bühne blaß und langweilig. Ihr Aufzug ist albern; passend zur Geschichte von der walisischen Hexe, die sie in „Rhiannon“ vertont hat, erscheint Stevie mit zerzaustem Haar und schwarzem Karnevalsfummel— wie ein Poltergeist aus dem Weihnachtsmärchen. Auch spätere Kostümwechsel können da nicht mehr viel retten.

Viel Engagement

Ihre Kollegin Christine McVie war noch nie eine Schönheit, dennoch macht sie einen stärkeren Eindruck. Ruhig steht sie hinter Pianos und Orgeln, äußerlich zurückhaltend, aber am ganzen Abend wird kein Song mit mehr Gefühl und Engagement gesungen als ihr „Oh Daddy“ von „Rumours“.

Frauentyp

Im Blickpunkt steht die zweite Neuerwerbung, der Gitarrist und Sänger Lindsey Buckingham. Ein wahnsinniger Frauentyp ( so höre ich jedenfalls) mit Lockenkopf,funkelnden Augen .weißem Anzug und weißer Weste auf dem bloßen Oberkörper. Außerdem spielt er eine scharfe Gitarre, bewegt sich gut und reißt selbst eine so statische Rhythmusgruppe wie Mick Fleetwood und John McVie mit. Und da sind seine Songs, der Mann ist Gold wert. Später erzählt Mick Fleetwood: „Lindsey hatte vorher nie auf der Bühne mit einer Band gearbeitet, Fleetwood Mac war eine Herausforderung für ihn und er hat sehr schnell gelernt.“ Fleetwood und McVie waren in ihrer langen Karriere als Drummer und Bassist stets unauffällig und höchstens durchschnittlich. Mit den Jahren sind sie jedoch zu einer perfekten Einheit, zu einem solide rockenden Rückgrat der Gruppe geworden.

In den eineinhalb Stunden des Auftritts erinnern nur zwei der insgesamt 17 Songs an alte Zeiten, „Station Road“ von der LP „Kiln House“ und eine kurze Version von „Oh Well“, vielleicht ein Bonus für traditionsliebende europäische Konzertbesucher. Der größte Teil des Programms stammt natürlich von den letzen beiden Alben; ich liebe diese Songs, hinreißende gerade Popstücke, die, auch wenn sie nicht alle solch hübsche und eingängige Melodien besitzen wie Buckinghams ,,Go Your Own Way“,immer durch das sparsame, manchmal überraschende Arrangement und den eigenartigen Zusammenklang der drei Stimmen und der Instrumente fesseln. Die unterschiedlichen Stimmen geben Farbe und Ausdrucksbreite; langsame Nummern wechseln sich mit schnellen ab, akustische mit elektrischen. Ein besonders schöner Moment kommt, als Buckingham sein „Never going back again“ zur akustischen Gitarre singt, und John McVie ihn auf einer riesigen akustischen Bassgitarre begleitet.

Die himmlische Offenbarung blieb aus

Ein sehr gutes Konzert, aber irgendwie fehlte mir der letzte zündelnde Funke — vielleicht lag es am nicht ganz perfekten Sound, vielleicht an der etwas lauen Hallenatmosphäre, vielleicht an der Gruppe, die am Ende der Tour müde war; oder es lag an mir, da ich die letzten beiden Alben über alles schätze und von dem Konzert einfach zu viel, nämlich eine Art Offenbarung vom Himmel erwartet hatte.

McVie mit besoffenem Kopf im Knast

Eine Stunde nach Konzertende Interviewtermin in einem unbeschreiblich häßlichen Raum des Hilton; dabei soll doch Düsseldorf so schön sein. Die drei Songschreiber/Sänger(-innen) haben sich in die Betten verzogen. Ein abgeschlaffter Jon McVie taucht auf, klammert sich an eine Mingus-Platte und nuschelt nicht sehr interessiert davon, daß Mingus, McCartney und Jack Cassidy die größten Bassisten sind, daß technische Genies wie Stanley Clarke für ihn langweiliger Dreck sind, daß er bald ein Solo-Album herausbringt, und daß er kürzlich , als er seinen alten Boss John Mayall, der in seiner Nähe (in L.A.) wohnt, mit besoffenem Kopf besuchen wollte, eingebuchtet wurde.

Positive Energie

Der ungeheuer lange und schmale Mick Fleetwood ist noch besser beinander. Er und McVie sind gleichzeitig Manager der Gruppe — eine Ausnahme im Musikgeschäft; vor einigen Jahren waren Fleetwood Mac so abgebrannt, daß sie sich keinen Manager leisten konnten; also mußten sie sich selbst helfen, nicht ohne Erfolg, wie man sieht. „Aber ich würde deswegen nie mein Schlagzeugspielen aufgeben,“ sagt Fleetwood. Werden alle Bandmitglieder gleich bezahlt? „Anfangs war das nicht so, weil wir Stevie und Lindsey Wohnung und Instrumente besorgten und sowieso praktisch pleite waren. Jezt bekommt jeder ein Fünftel. Ich nehme noch zehn Prozent als Manager, nachdem alle laufenden Kosten wie Hotel, Fahrten, Büro, Roadies etc. bezahlt sind. Das ist gar nichts im Vergleich zu den üblichen Managern, die 20 bis 30 Prozent vom Gesamtverdienst nehmen.“

war er vom phänomenalen Erfolg des weißen Albums sehr überrascht? „Na ja, wir fühlten, daß wir ein gutes Album gemacht hatten, daß der Eintritt von Lindsey und Stevie in die Band logisch und natürlich vor sich gegangen war und daß wir viel positive Energie hatten. Aber daß die Platte die Millionengrenze überschritt, hat uns schwer schockiert.“ Die Aufnahmen zum nachfolgenden Album „Rumours“ dauerten ein Jahr, nicht zuletzt wegen des emotionalen Durcheinanders in der Band. Ehen und Beziehungen der Gruppenmitglieder brachen auseinander, John und Christine, Lindsey und Stevie mußten ein neues Verhältnis als ‚Freunde‘ zueinander finden. Fleetwood Mac spielen auf diese Vorgänge in „Rumours“ bewußt an und lassen sie in Geschichten und Interviews gerne breittreten.Gute Publicity-Arbeit,MicklAbcr er betont.daß die Band in solch stürmischer Zeit nie vor der Trennung stand. Was Wunder, bei dem Erfolg.