Horslips


Ebenso seltsam wie die Entstehungsgeschichte ist auch die Musik der Horslips. „Wir haben von Anfang an auf irische Überlieferungen aufgebaut“, erklärt Jim. Charles O’Connor kann ausgezeichnet mit traditionellen Instrumenten wie Fiddle, Concertina und Mandoline umgehen, John Fea spielt Gitarre und Banjo, Jim Lockhart beherrscht neben seinen Keyboards auch eine ganze Reihe ausgefallener Flöten und Pfeifen, und zusammen mit dem prägnanten Baß von Barry Devlin und Eamon Carr’s lebendigem Schlagzeugspiel entwickelten sie einen höchst eigenwilligen Stil. „Es ist für uns kein Kunststück, all diese Instrumente zu beherrschen“, meint Barry, „denn in Irland wächst jeder mit Musik auf.“

„Irland war über siebenhundert Jahre lang ein einziges Schlachtfeld“, berichtet Eamon, der sich besonder gut in der finsteren Vergangenheit seiner Heimat auskennt. „Durch viele innere Unruhen und die Kämpfe gegen die Engländer war das Volk völlig verarmt. Alles, was den Leuten blieb, waren Erzählungen, Alkohol, Weiber und Musik.“ „Wir müssen das also gar nicht studieren“, fährt Barry fort, „es steckt einfach in uns drin. Deshalb sind wir auch anders als engüsche Gruppen wie Fairport Convention oder Steeleye Span, die versuchen, traditionelle Elemente in den Rock zu übertragen. Wir sind keine Folkgruppe mit Rockeinflüssen, wir sind eine echte Rockgruppe mit Tradition.“

Bemerkenswert ist, daß der Mann mit dem typisch irischen Namen, der bei den Horslips auch die meisten traditionellen Instrumente spielt, daß ausgerechnet Charles O’Connor aus England stammt. „Ich hasse die Iren“, feixt er erwartungsgemäß und verschweigt dabei, daß er zu Hause ganze Plattenwände mit irischer Folklore stehen hat. Barry: „Wir haben so viele unterschiedliche Temperamente und Einflüsse in der Gruppe, daß unsere Musik allein schon durch die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten von alledem sehr interessant wird.“ Beinahe alle Horslips-Songs sind Team-Kompositionen, zu denen Eamon die Texte schreibt; die meisten LP-Covers werden von Ex-Designer Charles entworfen, und in Irland hat die Gruppe sogar ihr eigenes Plattenlabel, „Oats“.

„Am Anfang haben wir bei einer Plattenfirma in Dublin vorgesprochen“, erinnert sich Jim, „aber die wollten uns nur übers Ohr hauen. Da haben wir lieber unser eigenes Label aufgezogen.“ Eamon: „Wir finanzieren unsere Plattenproduktionen selbst und haben lediglich einen internationalen Vertriebsvertrag mit einem großen Plattenkonzern. Dadurch kann uns niemand mehr hineinreden.“ „Natürlich machen wir auch Fehler“, gibt Barry zu, „aber wir finden es immer noch besser, unsere eigenen Fehler zu machen.“

Auf dem Oats-Label sind inzwischen sieben LPs von den Horslips erschienen, und die Plattenumsätze werden immer ansehnlicher. Nach ihrem LP-Debut „Happy To Meet, Sorry ToPart“ legten die Horslips den Ort der Handlung ihres ersten Konzeptalbums „The Tain“ auf ein irisches Schlachtfeld im Mittelalter; auch mit ihren folgenden LP-Veröffentlichungen führten sie ihre Anhänger auf abenteuerliche Reisen durch die sagenumwobene Vergangenheit ihrer Heimat.

„Auf unserem dritten Album „Dancehall Sweatharts“ finden sich einige Songs über einen blinden irischen Harfenspieler namens O’Carolan“, erklärt Eamon. „Die Blinden konnten sich früher in Irland eigentlich nur als Musiker ernähren. Diese Leute zogen dann mit ihren Instrumenten auf einem Pferd von Ort zu Ort und hatten einen Typen dabei, der sie führte. Das waren die ,Roadies‘, und wenn ein Musiker damals viel Geld verdiente, dann hatte sogar sein Roadie ein Pferd…“

„Wir greifen solche Geschichten nicht auf, weil wir glauben, wir könnten jetzt damit in eine Marktlücke stoßen“, versichert Barry, „sondern weil die Verbindung unserer Musik mit solchen Texten ganz natürlich ist.“ Jim: „In der irischen Geschichte gibt es nur wenig Malerei und Bildhauerei, dafür aber viele bedeutende Dichter und Schriftsteller wie Oscar Wilde, G. B. Shaw, James Joyce und Samuel Backett. Musik und Literatur waren schon immer unsere großen traditionellen Kunstformen, und beides ist bis heute lebendig geblieben — in unserer eigenen Sprache. Daraus nun etwas eigenes zu machen, das ist eine echte Aufgabe für uns.“

Zur Vorbereitung ihres neuesten Albums „The Book Of Invasions“, gingen die Horslips sogar unter die Ahnenforscher. Erst nach gewissenhaftem Studium alter Bücher wagten sie sich an ihre „Keltische Symphonie“ — die geheimnisumwitterte Geschichte eines vorchristlichen Volksstammes von überirdischer Herkunft.