Hotlist 2018: Superorganism ist die Band der Stunde


Die Neuerfindung der Popband: Superorganism verbinden Bedroom-Producing mit großer Pop-Geste. Das Album der Band erscheint am 2. März.

Das Erste, was Superorganism hatten, war ein kleiner Hit. „Something For Your M.I.N.D“ wurde im Frühsommer 2017 von einschlägigen Blogs wie „Gorilla vs. Bear“ gefeiert, Stars wie Ezra Koenig und Frank Ocean spielten den Song in ihren Radiosendungen. Das Erste, was Superorganism wirklich brauchten, war hingegen ein Anwalt: Die Hook des Songs basiert nämlich auf einem Sample von „The Realm“, einer House-Hymne von C’hantal aus dem Jahr 1990. Daran, dass man das eventuell abklären müsste, hatte leider niemand aus der Band gedacht.

Am Telefon ist Harry, der einer der Soundarchitekten der achtköpfigen Band ist (auf dem Selfie fehlt der Grafiker Robert Strange). Er kann das tatsächlich gut erklären. „Als wir den Song aufnahmen, dachten wir nicht daran, ihn wirklich zu veröffentlichen. Wir fanden ihn ganz gut und haben ihn auf unsere SoundCloud-Seite geladen.“ Dort verschwand er aus oben genannten Gründen schnell wieder, er wurde durch zwei andere Nummern ersetzt, und all das trug vermutlich dazu bei, dass man anfing, über die Band zu reden. Beziehungsweise: Über die Songs, den besonders viel wusste man ja nicht über Superorganism.

Eine Japanerin mit Bored-Teenager-Englisch

„Es gab uns nur im Internet. Wir spielten auch keine Konzerte. Wir waren irre schwer greifbar. Unser Ruhm war abstrakt. Er war theoretisch“, sagt Harry, der gerade auf der Couch eines Airbnb in New York fläzt, vorgestern war er noch in Rennes, die Woche davor in München, und es klingt ein klein bisschen so, als ob er das mit der schweren Greifbarkeit schon angenehm fand. Denn das, was folgte, war nicht ganz stressfrei: Zunächst musste die Band sich sammeln. Sich ganz klassisch verorten.

Onoro, die 17-jährige Sängerin aus Japan, die aber dank ihres Internat-Besuchs in Maine lupenreines Bored-Teenager-Englisch spricht und Harry bei einem Gastspiel seiner vorherigen Band in Tokio kennenlernte, zog also in die Wohnung in London, wo der Rest der Band bereits residierte. Ihr Freund Soul kam aus Australien dazu. Sie gaben einige Konzerte, das erste auf dem Reeperbahn-Festival in Hamburg – und seitdem ist Onoro mittendrin.

Dieser Moment der Professionalisierung ist bei jeder Band interessant. Bei Superorganism sind aber die Parameter bemerkenswerter, weil es sich um einen völlig neuen Typus der Popband handelt. Achtung, es wird jetzt etwas kompliziert: Superorganism sind so besonders, weil sie ihre Energie aus dem Ende des klassischen Band-Dings ziehen. Sie sind ein Haufen von online sozialisierten Bedroom-Producern, von Kids und Nicht-mehr-ganz-Kids, die Altersspanne reicht von 17 bis 32. Sie haben aber festgestellt, dass auch Schlafzimmerpop besser wird, wenn er im Kollektiv entsteht.

„Die Summe ist manchmal eben mehr als die einzelnen Teile“, sagt Harry und erzählt von seinen Lieblingstagen im Superorganism-Headquarter. „Dann sitzt in jedem Raum jemand und arbeitet. Onoro sitzt in ihrem Zimmer und schreibt einen Text. Tucan mixt vielleicht gerade einen Song, Robert überlegt sich neue Visuals. Die Ergebnisse werden dann von einer Station zur nächsten gemailt.“ All das passiert übrigens in ziemlicher Ruhe, die Idee der Bandprobe in einem klassischen Sinne, oder sogar die des Jams als Inspirationsquelle gibt es bei Superorganism nicht mehr. Digital ist eben manchmal doch besser.

Wichtig bei dieser Arbeitsweise sind zwei Dinge.

Zunächst einmal: Das Internet tanzt mit. Es ist Hauptbestandteil der Kunst. Vielleicht kann man sogar sagen, dass es neben London die zweite Heimat von Superorganism ist. Dass dieser Aspekt der Kunst der Band schwer nach den 90er-Jahren aussieht, hat einen einfachen Grund: „Die Online-Optik der 90er ist einfach am interessantesten. Damals herrschte im Netz noch so eine Art Anarchie. Heute hat doch alles diesen Cooperate-Look.“ Damit kann man durchaus spielen. Das Zweite: Die mehrzellige Arbeitsweise von Superorganism ist bei den Großen abgeschaut: „Wir lesen sehr viel Theoretisches über Pop. Wir wollen wissen, wie er funktioniert. Wenn du die Credits zu einem Rihanna-Song durchliest, stößt du auf 17 Namen. Es wird so lange an ihm gearbeitet, bis er perfekt ist. Wir versuchen, dieses Prinzip auch auf unsere Musik anzuwenden. Wir mögen das.“ Wir auch.

Drei Dinge, die Superorganism zur Supergegenwartsband machen:

  1.  Diese Band macht Schluss mit der Einsamkeit der Bedroom-Producer: Zusammen ist man eben doch weniger alleine.
  2.  Sie zeigen, dass die Zeit geografisch grundierter Szenen vorbei ist und denken Pop global.
  3.  Pop ist hier nicht nur musikalisches, sondern auch kulturelles Wirkprinzip. Artwork, Videos, Games – all das ist genauso wichtig wie die Songs.

Superorganism empfehlen: Brockhampton

Harry: „Sie sind ein HipHop-Kollektiv, das ursprünglich aus Texas kommt, aber mittlerweile in Los Angeles ansässig ist. Ich mag ihre Musik sehr. Sie haben in diesem Jahr drei Alben veröffentlicht. Ich kann mich mit dem, was sie machen, total identifizieren; ich glaube, ihre Arbeitsweise ähnelt der unseren. Auch sie bestehen aus verschiedensten Autoren, Produzenten und Video-Machern.“

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