Serien-Kritik

„How to Sell Drugs Online (Fast)“ (Staffel 2) auf Netflix: Mit Mühe über den Berg der Belanglosigkeit


Ein schulterzuckendes Bad in der eigenen Suppe: In den neuen Folgen wird auf bewährte Stärken gesetzt, aber dabei werden leider auch alte Schwächen verschleppt. Ob das nun wirklich so schlimm ist, erfahrt Ihr in unserer Review.

Wenn Netflix gerade vor der neuen Staffel „How to Sell Drugs Online (Fast)“ die Alters-PIN verlangt, muss man sich schon fragen, ob das nicht zum künstlerischen Konzept der Produktion aus dem Hause bildundtonfabrik gehört. Denn das Meta-Spiel mit der Netflix-Mechanik gehört ein bisschen zum Rezept. Jedenfalls sollte klar sein, dass die mit insgesamt drei Stunden Laufzeit wieder relativ knapp gehaltene zweite Staffel nicht schon nach den ersten anderthalb Minuten der ersten Episode endet – obwohl „MyDrugs“-Boss Moritz (Maximilian Mundt)“ da direkt in die Kamera spricht und die Streamingplattform schon den vermeintlich nächsten Inhalt vorschlägt. Ein ziemlich guter Gag, oder? Ein paar mehr Details dazu, wie es mit dem wachsenden Darknet-Drogenimperium von Moritz, Lenny (Danilo Kamperidis) und Dan (Damian Hardung) weitergeht, gibt es dann im Folgenden aber doch noch. Die kommen dann aber im Gegensatz zum smarten Start eher so mittelmäßig an.

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Ein Drehbuch-Blinddarm mit Lernschwäche

Was zunächst als clevere Verzahnung zwischen Serienstoff und Ausspielweg beginnt, bleibt aber nicht mehr als ein einfaches Augenzwinkern – eine nette Idee, die sich nicht so richtig ins Puzzle einfügen will. Es ist quasi der Blinddarm im Organgefüge des Drehbuchs. Dabei macht auch die zweite Staffel „How to Sell Drugs Online (Fast)“ viel richtig und besinnt sich auf bewährte Stärken, zeigt jedoch andererseits kaum Interesse daran, aus den Schwächen der Debüt-Staffel des vergangenen Jahres zu lernen.

Nach sechs Folgen und damit einer Spielzeit von knackigen drei Stunden bleibt deshalb nicht wirklich viel mehr als ein Schulterzucken übrig. Was als durchaus unterhaltsame und vor allem authentische Erzählung mit mal mehr mal weniger klugen Mitdenk-Gags und grandios selbstbewusstem Worldbuilding das Erbe der ersten Staffel fortführt, endet als eine sich im Kreis drehende Verweigerung, komplexere Probleme bis zum Ende zu denken. Das deutsche Netflix Original bleibt ähnlich lange im Kopf hängen, wie es dauert, die komplette Staffel durchzubingen.

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Nur so viel zum Inhalt der Crime- und Coming-of-Age-Serie: Wir sehen in der neuen Staffel, wie aus dem kleinen Kinderzimmer-Projekt ein florierendes Business geworden ist und welche Schattenseiten das für das Trio mit sich bringt. Denn wo Moritz mit „keine Überschneidungen. Niemals.“ zunächst die Linie zwischen Darknet und Privatleben in den Sand malt, herrscht schon bald keine Klarheit mehr. Die Grenzen verwischen zunehmend, „MyDrugs“ wird zu Grauzone für alle Beteiligten. Das lässt nicht nur Moritz’ Freundin Lisa (Lena Klenke) misstrauisch werden, es ruft auch die Sippe eines alten Bekannten auf den Plan. Und durch einen geschäftlichen Alleingang von Moritz gerät die Truppe ins Fadenkreuz zwielichtiger Limo-Produzenten.

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Kein Ecstasy am Watercooler

Die Frage ist nun: Ist das wirklich ein Problem, dass nicht mehr hängen bleibt? Muss sich jede Story wirklich so tief ins eigene Bewusstsein bohren, dass einen keine Ecstasy-Dosis dieser Welt auf andere Gedanken bringt? Braucht es Watercooler-Momente, wie sie einst ein „Lost“ oder „Breaking Bad“ abzuliefern vermochten? Ist das ein gesunder Anspruch an unser Entertainment? Nö, eigentlich nicht. Nicht jede Serie benötigt die großen What-The-Fuck-Momente – schon gar nicht „How to Sell Drugs Online (Fast)“. Denn das Format glänzt auch in der neuen Staffel besonders mit zahlreichen kleinen Spitzen, die fast schon unter dem Radar fliegen.

Etwa der von Florentin Will gespielten Polizist, der noch mit Windows XP arbeitet und MP3s mit dem absolut angestaubten Winamp abspielen muss und somit den Älteren unter uns ein nostalgisch aufgeladenes Lächeln ins Gesicht zaubert, gleichermaßen aber auch ohne plumpen Expositions-Monolog den Stand der Digitalisierung der Strafverfolgung auf den Punkt bringt – wenn auch nur sehr oberflächlich.

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Und so wird man vom Flow der Serie in den Bann gesogen, lässt sich vom „Neo Magazin“-geschulten Rhythmus der Autor*innen umgarnen und knallt dann nach vier Folgen genauso hart auf den Boden der Realität, wie Lenny mit seinem Rollstuhl gegen die Tür, die ihm seine Discord-Bekanntschaft vor der Nase zuschlägt. Denn plötzlich geht der Serie die Luft aus. Es fehlen mit einem Mal Fokus und Schärfe. Stattdessen werden die immergleichen Teenager-Probleme durchgenudelt, starre und vor allem bereits bekannte Konflikte auf dem Grat zwischen Freundschaft und Drogenbusiness ausgetragen und Substanz verheißende Ansatzpunkte verkommen als Mittel zum Zweck auf der dramaturgischen Checkliste. Jugendliche Perspektivlosigkeit? Egal. Die Familie vor dem Bankrott? Geschenkt. Stress mit der Freundin? Sowieso.

Tatortreiniger dringend gesucht!

Das offenbart eine klaffende Wunde, die kein Darknet-Gag der Welt zunähen könnte. Denn Konflikte innerhalb des „MyDrugs“-Trios und eine zunächst mehr fiktive als reale Bedrohung durch die niederländischen Business-Partner*innen reichen nicht, um die einzelnen Figuren zu entwickeln. Es fehlt Widerstand. Es fehlen Reibereien. Es fehlen die wirklich einzigartigen Momente. Auf den Punkt gebracht: Es fehlt Bjarne Mädel („Der Tatortreiniger“). Wo er in seiner Rolle als überzeichneter Kuhkaff-Dealer in der ersten Staffel Moritz, Lenny und Dan nicht nur paroli bieten, sondern auch eine glaubhafte Bedrohung darstellen konnte, bleiben in Staffel 2 nur aalglatte Startup-Dudes und -Dudettes aus Rotterdam.

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Und trotz dessen sind es genau diese farblosen Gestalten, die letztlich das Ruder in Richtung versöhnliches Ende herumreißen, Moritz à la „Matrix“ wortwörtlich zwischen blauer und roter Pille, Kinderzimmer und Kingpin-Karriere entscheiden lassen. Die Tür steht jetzt weit offen – offen für spannendere Reibepunkte, größere Fallhöhen, für den Ausbruch aus einem Kreislauf zu Tode gerittener Beziehungen und Verstrickungen.

Fazit: „How to Sell Drugs Online (Fast)“ schafft es gerade so den Berg der absoluten Belanglosigkeit zu überwinden. Doch spätestens mit dem nächsten Folgenpaket – wenn es denn eines geben sollte – wird das nicht mehr reichen. Denn was einst unverbrauchtes Setting mit unbekannten Schauspieler*innen war, ist nun ein gemachtes Nest, in das sich die bildundtonfabrik nicht noch einmal setzen sollte.

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Staffel 2 von „How to Sell Drugs Online (Fast)“ ist am 21. Juli 2020 auf Netflix erschienen. Sie umfasst sechs Folgen, die 30 Minuten Minuten lang und alle mit einem Mal verfügbar sind. Eine dritte Staffel ist noch nicht bestätigt.

Hört Euch hier den Soundtrack zur Serie an:

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