Ich höre, also bin ich: The Human League


Glam und Disco prägten The Human League. Heute schätzen die Elektropop-Pioniere aus Sheffield auch mal ein paar Minuten Ruhe - zumindest im Tourbus.

The Human League über die Musik, die sie geprägt hat:

Der erste Popsong, an den ich mich erinnere …

The Beach Boys

Good Vibrations

Philip Oakey: Ich bin ja schon etwas älter, und meine Eltern hörten dementsprechend keinen Rock’n’Roll. Ich glaube, ihre Schallplatten liefen noch auf 78 Umdrehungen. Aber ich hatte ältere Brüder, die Bob Dylan und die Beatles hörten – und bekam irgendwann ein kleines Radio geschenkt. Es war blau, hatte nur einen Lautsprecher, und ich nahm es abends unter meine Bettdecke und schaltete auf Radio Luxembourg. Die Musik, die dort lief, war viel besser als die bei der BBC. So etwas wie Radio One gab es noch nicht. Und jeden Abend wartete ich also unter meiner Bettdecke auf die Beach Boys und „Good Vibrations“. Ich kann gar nicht mehr sagen, warum. Aber offenbar erkannte ich schon als Kind, dass da für einen einzelnen Song sehr viel passierte.

Ich verliebte mich in …

T. Rex

Get it on

Joanne Catherall: Ich hielt Marc Bolan damals für den schönsten Mann der Welt – und hatte natürlich ein Poster von ihm an meiner Wand hängen, das ich nachmittags ausdauernd anschaute. Meine Mutter fand das allerdings nicht so toll – sie war sicher, dass Bolan mit seinen langen Haaren und seinen komischen Klamotten einen schlechten Einfluss auf mich ausüben würde. Deshalb nahm sie das Poster immer wieder von der Wand.

Der erste Song, der mir zeigte, dass Popmusik magisch sein kann …

Gary Numan

Are Friends Electric?

Susan Ann Sulley: Ich weiß, Gary Numan ist nicht mehr besonders angesagt. Aber ich war damals 15 oder 16, und bei mir löste er etwas aus, weil er Unsicherheit und Angst zeigte. Das war in der damaligen Popmusik nicht unbedingt üblich. Er zeigte mir einfach, dass Musik deine gesamte Gefühlswelt auf den Kopf stellen, dass sie dich verstehen kann. Ich sah ihn damals bei „Top of the Pops“, das war unser Fenster zur Welt. Und ich rief sofort bei Joanne an, die ja meine beste Freundin war. Dieser Song hat wirklich mein Leben verändert.

Diese Songs ziehen mich auf die Tanzfläche …

The Trammps

Disco inferno

Fedde Le Grande

Put Your Hands Up For Detroit

Philip Oakey: „Disco Inferno“ ist, glaube ich, die beste Single, die jemals aufgenommen wurde. Andererseits läuft das nirgendwo mehr, deshalb würde ich noch einen zweiten Song in den Ring werfen. (Wühlt in der Playlist seines Telefons und schaltet den Lautsprecher ein.) Hier, Fedde Le Grande mit „Put Your Hands Up For Detroit“. Ich hatte vor fünf, sechs Jahren eine Phase, in der ich noch sehr viel ausging. Damals lief das in jedem Club, und wir stürmten dazu die Tanzfläche. Heute gehe ich nicht mehr tanzen, ich bin in einer festen Beziehung.

Damals stand ich dem eigenen Erfolg zwie­gespalten gegenüber …

Human League

Don’t you want me

Philip Oakey: Es ist einfach der wichtigste Song unserer Laufbahn. Er veränderte alles. Ich fand ihn nicht einmal besonders gut, als wir ihn aufnahmen, aber mir war klar, dass er ziemlich erfolgreich sein würde. Mit einigen Nebenerscheinungen dieses Erfolges rechnete ich jedoch nicht. Vorher schrieben mir Linguistikstudentinnen Fanpost, in der sie über meine Texte diskutieren, und ich hielt mich selbst für einen Independent-Künstler. Das war auf einen Schlag vorbei. Und Anton Corbijn, der uns eigentlich fotografieren wollte, hatte angeblich keine Zeit mehr für uns. Tatsächlich waren wir ihm einfach zu uncool.

Ich gab zuletzt Geld aus für …

KE$HA

Take it off

Philip Oakey: Ich mag Kesha, sie scheint sich von niemandem etwas sagen zu lassen. Natürlich kann man sie ein bisschen prollig finden, und ich verstehe auch, dass manchen diese massive Art der Produktion mit Autotune und tausend anderen Effekten nicht gefällt. Aber ich finde, dass sie etwas Neues wagt und einen eigenen Sound definiert – und ein schöner Gegenentwurf zu vielen anderen Sängerinnen ist. Nimm Katy Perry. Ihr Dekolleté ist ihr Erfolgsgeheimnis. Ich finde es gut, dass es Sängerinnen gibt, die mit ihrer Sexualität nicht so hausieren gehen.

Randnotizen:

• Philip Oakey lernte seine beiden Mitstreiterinnen in einer Disco kennen. Er suchte Mitmusikerinnen für eine bevorstehende US-Tournee und war von dem ungleichen Freundinnenpaar sofort begeistert. Die waren es ebenfalls – immerhin lebten sie damals quasi auf der Tanzfläche. Die Vorstellung, damit Geld verdienen zu können, war ihnen allerdings noch nie gekommen.

Credo ist das erste Album mit neuen Human-League-Songs seit zehn Jahren und wird die Band 2011 rund um den Globus führen. England ist für sie verblüffenderweise ein schwieriges Terrain. Dort, sagt Oakey, wollen die Konzertbesucher immer nur die alten Hits hören.

• Ihren Proberaum haben The Human League momentan an die andere große Band aus Sheffield vermietet: Pulp bereiten sich dort auf ihre Reunion-Konzerte im Sommer vor. Wichtig scheint dabei vor allem der richtige Wandschmuck zu sein: Um ihr Pulp-Leuchtschild aufzuhängen, bohrten Jarvis und Co. große Löcher in die Wände.

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