Kolumne

Josef Winklers „Hirnflimmern“: Warum Benjamin Blümchen der letzte große Popstar ist


Josef Winkler hat 23 Jahre ohne Tocotronic verbracht. Aber genauso viele mit! Was das mit Nürnberg, NDW, D-Mark und Kinder-Hörspielen zu tun hat? Lesen Sie weiter!

Das sind Bibi und Tina auf Amadeus und Sabrina! Sie jagen den Wind, sie reiten geschwind, weil sie Freunde sind!“ 

Entschuldigung, aber da wird doch ein Kausalzusammenhang herbeigeredet, wo gar keiner ist! Außerdem hapert’s in dem Songtext ja wohl mit dem Gendering … Äh, was? Ja, bei uns herrscht seit Tagen verschärfter Kinderhörspiel-Alarm. Ein noch nicht näher identifizierter Erreger hat eingeschlagen, und alle hängen rum wie auf Gary Larsons „Boneless Chicken Ranch“. Erzwungene Entschleunigung, aber wenn Infomails ankommen mit Einstiegen wie „So, Kinners, jetzt geht es folkpunkig zur Sache!“, dann ahnt man eh: Es eilt nicht. Oder es ist alles zu spät. Hängt von der Perspektive ab.

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Haben Sie das gehört mit dem „Zirkeltag“ der Berliner Mauer? Am 5. Februar 2018, so haben Leute errechnet, die einen Kalender lesen können (Du grüner Träumer – dafür gibt’s doch längst eine App!), war die Berliner Mauer genauso lange weg wie sie vorher da gewesen war. Wobei mich vor allem erschütterte, dass diese inglorious days schon 28 Jahre, zwei Monate und 26 Tage her sein sollen, als ich noch zu 17-jährig und blöd (eventuell besteht hier ein Kausalzusammenhang, den man nicht herbeireden muss) war, um das menschheitshistorische Ereignis Mauerfall angemessen als solches zu registrieren. Aber nun ja … Solche Zeitstrahlspiegelungsspielereien finde ich jedenfalls recht reizvoll.

Die Hälfte seines Lebens hat Josef Winkler mit Tocotronic verbracht – und jetzt wird’s immer mehr

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Zum Beispiel war ich 23, als das erste Tocotronic-Album rauskam, und das ist jetzt 23 Jahre her. Ich habe also nicht nur 23 Jahre mit Tocotronic verbracht (was als Zitat-Referenz meines Erachtens einigermaßen „schockt“, wie wir Hamburger sagen), sondern auch die Hälfte meines Lebens – und ab jetzt wird’s immer mehr! Oder, historischer: Seit 25 Jahren gibt es die neuen deutschen Postleitzahlen, das ist jetzt schon fast doppelt so lang, wie es 1993 die Neue Deutsche Welle gab – und trotzdem, so hört man, ergab jüngst eine Straßenumfrage in Nürnberg, dass sich immer noch „ein Großteil der Passanten darüber ärgert“. Wow.

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Also: Ich kann auch hartnäckig sein, und wenn’s sein muss, rechne ich zwischendurch noch in D-Mark. Aber wer sich 2018 immer noch „ärgert“ über die neuen Postleitzahlen, hat wirklich einen langen Atem. They can hold a grudge in Nürnberg! Da möchte man gar nicht so genau nachfragen, was die von der NDW halten, die ja doch mit ungleich mehr Unannehmlichkeiten einherging als die Postleitzahlen … Da ist schätzungs­weise nix vergeben und vergessen.

Übrigens: Das letzte Mal, dass es in Sachen Folkpunk künstlerisch relevant „zur Sache ging“ – bei „Peace And Love“ von den Pogues –, ist genauso lange her wie der Mauerfall. Wohingegen einer wie Benjamin Blümchen jetzt schon seit 1977 (!) ungebrochen das Haus rockt – anders als so gut wie alles, was seither im Pop passiert ist. Da ist die Halbwertszeit offenbar noch längst nicht überschritten. Törööö.

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