KINO


IN THE MOOD FOR ACTION

THE GRANDMASTER

Von Wong Kar Wai, China 2013 mit Tony Leung, Zhang Ziyi

Ein Kampfsportfilm, in dem nur die Hiebe zählen, die keine Treffer sind: Wong Kar Wai zelebriert das Leben von Ip Man als Oper der Einsamkeit und Entbehrung.

Die traurigsten Filme der Kinogeschichte hat Wong Kar Wai gedreht, Geschichten über melancholische Männer, unerreichbare Frauen und die Unmöglichkeit der Liebe, die er mit einer assoziativen Bildsprache verdichtet wie kein anderer. Das trifft auf den schwärmerischen Sturm und Drang der frühen Filme wie „Chungking Express“ und „Fallen Angels“ zu wie auch auf die monolithischen Meisterwerke „In The Mood For Love“ und „2046“. Nur folgte danach Leere, Einfallslosigkeit mit seinem ersten englischsprachigen Film, „My Blueberry Nights“, der wirkte wie ein Sampler der besten Momente seiner asiatischen Filme. Danach Funkstille, sechs Jahre lang. Und jetzt die Neuerfindung mit dem aufwendigsten Mammutprojekt seiner Karriere. „The Grandmaster“ ist der erste Film Wongs über eine real existierende Figur, über den in China legendären Kampfk unstmeister Ip Man, der den Kung-Fu-Stil des Wing Chun über die Grenzen seiner Heimat popularisierte und im Westen vor allem bekannt ist als Lehrer von Bruce Lee – besetzt mit seinem Lieblingsschauspieler Tony Leung und der unvergleichlichen Zhang Ziyi, die nie schöner und graziler war als hier. „Zwei Wörter, eines horizontal, eines vertikal. Wer liegen bleibt, hat verloren. Wer am Ende steht, ist der Gewinner“: Wiederholt wird der Film auf diese Beschreibung des Begriffs Kung Fu zurückkommen. Sie charakterisiert die erste Hälfte, die sich eng an die Vorgaben gängiger Biopics hält und Ip Mans Werdegang fokussiert: von seiner Perfektion im Umgang mit seiner Kampfk unst, von der entbehrungsreichen Zeit während der japanischen Besetzung, von Zusammenbruch und Verlust und vom Neuanfang mit ersten Kampfschulen in Hongkong. Sie begleitet aber auch leitmotivisch die eigentliche Geschichte, die Wong zwischen den Bildern zelebriert, und nach dem konventionellen Anfang immer stärker in den Vordergrund drängt: die verbotenen Gefühle zwischen dem verheirateten Helden und der Tochter des alten Großmeisters, die die Einzige ist, die Ip Man jemals besiegte. Sie zehren von und verzehren sich an den kleinen gemeinsamen Momenten, den Beinahe-Berührungen während ihrer zwei Kämpfe, die hier eine Sinnlichkeit erlangen, die sich mit den Tango-Sequenzen in „Happy Together“ durchaus messen kann: Ein Kampfsportfilm wider alle Konvention ist „The Grandmaster“ geworden. Und ein trauriger Film. Wie immer bei Wong Kar Wai. Und doch ganz anders und neu.

****1/2 Start: 27. Juni

WORLD WAR Z

Von Marc Forster, USA 2013 mit Brad Pitt, Mireille Enos, James Badge Dale

The Running Dead: Das „Z“ steht für Zombie.

Eine leichte Produktion war die Verfilmung des 2006 erschienenen Bestsellers von Max Brooks – Sohn von Mel! – nicht. Das gestehen die Macher selbst ein, die nachträglich einen komplett neuen dritten Akt drehen ließen und die politische Brisanz einer von Zombies überrannten Welt zugunsten etwas mehr Budenzauber opferten. Warum dem Film aber gerade aus den USA so viel blanker Hass entgegenschlägt, hinterlässt einen ratlos. Die drei längeren Passagen aus dem Film, die die Presse bislang zu sehen bekam, versprechen jedenfalls den interessantesten unter den großen Sommer-Blockbustern des Jahres. Brad Pitt, auch als Produzent mit an Bord, unterstreicht, dass er nicht nur einer der wandlungsfähigsten Schauspieler der Gegenwart ist, sondern eben auch ein Filmstar, der es immer noch drauf hat, heldenhafte Weltenretter überzeugend zu spielen: „World War Z „verspricht Spektakel allererster Ordnung zu sein.

OHNE WERTUNG Start: 27. Juni

THE PLACE BEYOND THE PINES

Von Derek Cianfrance, USA 2012 mit Ryan Gosling, Bradley Cooper, Eva Mendes

Epischer Ansatz, kurzer Atem: im Windschatten von „Blue Valentine“.

Die zweite Zusammenarbeit von Ryan Gosling und Derek Cianfrance nach „Blue Valentine“ ist 140 Minuten lang und hat das Problem, 30 Minuten zu kurz zu sein. Weil der Film ein Generationen und 15 Jahre umspannendes Epos sein will, sich aber nicht die Zeit nimmt, erschöpfend auszuerzählen, was er sagen will, sondern es eben nur behauptet und auf den letzten Metern bemüht wirkt. Dabei wagt diese Kleinstadt-Saga über einen Motorradstuntfahrer auf dem Rummel, der zum Bankräuber wird, einen Cop, der in einen Strudel der Korruption gerissen wird, und ihre beiden Söhne etwas Abenteuerliches, das sich Filme gemeinhin nicht trauen. Mehr darf man nicht verraten. Oder nur so viel: Nach etwa 50 Minuten stockt einem der Atem, wie er einem im Kino selten stockt.

****1/2 Start: 13. Juni

OLYMPUS HAS FALLEN

Von Antoine Fuqua, USA 2013 mit Gerard Butler, Aaron Eckhart, Morgan Freeman

White House Down, die Erste: Gerard Butler kommt Roland Emmerich zuvor.

Das ist einer dieser Filme, in denen allen Ernstes Bösewichte die Stars & Stripes in den Schmutz schleudern dürfen, um größtmögliche Entrüstung beim Publikum auszulösen. Wer sich an der ostentativ zur Schau getragenen patriotischen Botschaft reibt, lässt sich allerdings eine Actionmaschine entgehen, die besser geölt kaum sein könnte: Wenn es in diesem Jahr einen „Stirb langsam“ gibt, der alles richtig macht, dann ist es dieses Szenario vom von nordkoreanischen Terroristen besetzten Weißen Haus, in dem nur ein verbliebener Secret-Service-Agent aufräumen kann. „Olympus Has Fallen“ paart entschiedene Härte mit lakonischem Humor, gibt Gerard Butler eine Rolle, für die er sich nicht schämen muss, hat immer noch ein Trumpfass im Ärmel und kommt vor allem ein paar Monate vor Roland Emmerichs thematisch identischem „White House Down“. Das reicht vollkommen. Weil’s einfach Spaß macht.

****1/2 Start: 13. Juni

CONFESSION

Von Sylvie Verheyde, Frankreich/ Deutschland 2012 mit Pete Doherty, Charlotte Gainsbourg, August Diehl

Dohertys blasses Schauspieldebüt.

Seinen Platz in der Geschichte hat „Confession“ sicher, wenngleich als Fußnote: Während der Dreharbeiten rund um Regensburg brachen die Hauptdarsteller Pete Doherty und August Diehl volltrunken in ein Musikaliengeschäft ein und entwendeten eine Gitarre und eine Platte. So interessant ist der Film von Sylvie Verheyde nicht geworden, auch wenn man glauben möchte, dass die Geschichte nach dem Roman von Alfred de Musset über Dandytum, Ausschweifungen und Todessehnsucht als romantisches Ideal genau Dohertys Ding sein müsste. Viel fällt den Beteiligten nicht dazu ein. Wenn man seine Zeit beim Betrachten des Films damit verbringt, darüber zu räsonieren, ob nun Doherty oder Diehl blasser im Gesicht ist, kann nicht alles richtig gemacht worden sein.

**1/2 Start: 20. Juni