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„Solo: A Star Wars Story“-Kritik: Macht doch einfach Schluss


In vielen Momenten lebt „Solo“ von dem berühmten „Star Wars“-Feeling, das „Die letzten Jedi“ zuletzt vermissen ließ. Doch dann zerbricht Ron Howards Film durch die eigene Gier nach Fortsetzungen.

Die Dreharbeiten zum allerersten „Star Wars“ waren anstrengend. Schlechtes Wetter in Tunesien, zerstörte Sets, Ärger mit Kostümen und den Droiden. Der später in „Episode IV“ umbetitelte Film wurde dazu erst im Schnittraum gerettet, aus vielen Problemen entstand letztendlich die Kinomagie, dessen Strahlkraft bis heute ausreicht, um Fans glücklich zu machen und Milliarden umzusetzen.

Die Dreharbeiten zu „Solo: A Star Wars Story“ waren von noch größeren Katastrophen geplagt, Disney und Lucasfilm feuerte mitten in der Produktion die Regisseure Phil Lord und Chris Miller und ersetzten sie durch Ron Howard, der den gesamten Ton des Films noch einmal ändern sollte. Am Ende hat es trotz aller Probleme doch noch für einen neuen „Star Wars“ gereicht, der das Flair der Original-Trilogie deutlich besser einfängt als Rian „Die Crew ist wie eine große Familie“ Johnsons „Die letzten Jedi“. Vielleicht besteht ja ein Zusammenhang.

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„Solo“ zeigt – wenig überraschend – die ersten Schritte auf Han Solos Weg zum Helden der Rebellion im Kampf gegen das Imperium. Doch lange bevor der Draufgänger Luke und Leia trifft, sitzt er auf dem Planeten Corellia fest. Zwar mit süßer Freundin Qi’Ra (Emilia Clarke aus „Game of Thrones“), doch ohne viel Geld und Freiheit. Ein kriminelles Regime kontrolliert den Planeten, die Stormtrooper des Imperiums kontrollieren dazu die Ausreisemöglichkeiten. Han gelingt die Flucht von Corellia, Qi’Ra muss leider zurückbleiben.

Cut: Drei Jahre später kämpft Han als Fußsoldat für das Imperium, da er von der Pilotenakademie geflogen ist. Im Schlamm eines Schützengrabens trifft er auf die Diebe Beckett (Woody Harrelson) und Val (Thandie Newton) sowie auf seinen späteren Buddy Chewbacca. Han heuert bei den Dieben für einen Coup an, mit dem Geld will er ein Schiff kaufen und nach Qi’Ra suchen. Davor geht er aber noch mit Chewie unter die Dusche…

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Lawrence Kasdan, Autoren-Veteran der Reihe, hat auch bei „Solo“ das Drehbuch geschrieben. Und er beschränkt sich zum Glück nicht nur auf bisher vermutete Eckpunkte und Fanservice. Klar: Han kommt zu seinem Nachnamen Solo, Han trifft Chewie, Han trifft Lando, Han macht den Kessel-Run, Han schießt erstmals zuerst. Ohne all dies geht es in der Vorgeschichte zu „Star Wars“ zwar nicht, Spannung versprüht aber keiner dieser Momente. Zum einen weil Kasdan sein Drehbuch aus längst im Internet stehenden Fantheorien gespeist hat, zum anderen weil es nie wirklich jemanden interessiert hat, wo und wie Han Chewbacca kennengelernt hat.

„Solo: A Star Wars Story“: Nebensätze werden zu Actionszenen

Die Geschichte wird an manchen Stellen sehr bequem, sehr erzwungen erzählt. Aus „Ich kenne jemanden mit einem schnellen Schiff“ wird zwei Minuten später die Szene, in der Han auf Lando trifft. Praktischerweise ist dieser gerade auch aus dem Ruhestand zurück und schließt sich Hans Crew an. Das Ziel: Die Minen von Kessel, für einen Gangster (Paul Bettany) muss Treibstoff geklaut werden. Klingelt es bei Kessel? Den Kessel-Run hat Han Solos Millennium Falcon in Rekordzeit geschafft. In der Ur-Trilogie wurde dies mal kurz erwähnt, in „Solo“ wird daraus eben nun eine gigantische Action-Szene. Was der Fan von früher kennt, das wird ihn schon irgendwie glücklich machen.

Viel besser ist Ron Howards Film in den Szenen, die sich nicht auf Anspielungen auf die Ur-Trilogie stützen. Zum Beispiel in einer Sequenz zu Beginn des Films, in der Chewie und Solo gemeinsam mit ihrer neuen Clique einen Zug ausrauben wollen. Die Geschwindigkeit ist spürbar, Raumschiffe kreisen um den Drahtseilakt, plötzlich geht es auf den Zug in den Nahkampf, eine gigantische Explosion zerreißt einen ganzen Berg. Feuerwehrmann Ron Howard („The Da Vinci Code“) weiß mit dem Budget des Films viel anzufangen, noch mehr aber mit den Sets, die das „Star Wars“-Franchise auf einige neue Planeten führt. Und in die Welt der Klein- und Großkriminellen der Galaxis. Es ist eine Wohltat, endlich eine Geschichte zu sehen, die sich nicht um den Kampf der Rebellion gegen das Imperium schert – obwohl der große Konflikt in dieser weit entfernten Galaxy stets einen Schatten wirft.

„Solo: A Star Wars Story“ ist ein Film ohne Pointe

In eben diesem Schatten hat Howard, der zwar mit dem Budget aber nicht dem humoristischen Ansatz seiner Vorgänger Lord und Miller arbeiten kann, spürbar Spaß mit dem Misstrauen innerhalb der Crew, die hier das große Ding drehen soll. Wer wird wen betrügen? Wer hat noch einen Trumpf im Ärmel? Kann Han seine wahren Feinde und Freunde erkennen? Speziell Woody Harrelsons Beckett wird zunehmend zur interessanten Figur, ist er doch Hans Mentor und zugleich wenig vertrauenswürdig. Letztendlich ist es seine Figur, die Han Solo zu Han Solo werden lässt, während Emilia Clarke wie aus einem anderen Film wirkt und ausschließlich Unglaubwürdigkeit mitbringt.

Das Prinzip von „Solo“ geht lange Zeit auf, von Fans erwartete Eckpunkte werden mit Heist-Elementen in einem in diesem Genre eben so noch nicht gesehenen Setting gemischt. Doch anstatt auf ein befriedigendes Ende, eine befriedigende Pointe – die eben jeder Heist-Film dringend benötigt – hinzuarbeiten, möchte Lucasfilm mehr. In purer Franchise-Gier werden im finalen Akt Nebenschauplätze aufgemacht, die nach weiteren Abenteuern für Alden Ehrenreich als Han Solo schreien. Für gleich drei Filme hat der neue Han Solo unterschrieben, bei Disney ahnte man wohl damals noch nicht, dass man ihm das schwere Erbe von Harrison Ford in vielen Szenen ansehen würde. Und trotzdem werden kurz vor dem Abspann noch ohne Not und Sinn Figuren eingeführt, die mit dem ersten großen Abenteuer des Space-Schmugglers wenig zu tun haben und die nun darauf warten, in der Fortsetzung aufzutauchen – ein eigentlich guter Film wird dadurch zu einem nervigen. Lucasfilm und Disney scheinen genauso gierig zu sein wie die Schurken, die in ihren Filmen aufgehalten werden müssen.

Der Mann der Stunde

Verliert den Millenium Falcon an Han Solo: Lando.

Aber bei den Studios fragt man sich schon lange nicht mehr, wie sinnvoll Spin-offs und weitere Fortsetzungen zu „Star Wars“ sind. Immerhin weigerten sich viele Fans auch von vornherein, einen neuen Han Solo zu akzeptieren. Sie werden überrascht sein, in wie vielen Momenten Ron Howard aber dann doch auftrumpfen kann. Einen weiteren Solo-Film kann er trotz einiger loser Fäden am Ende doch nicht in Stellung bringen, wir wissen nun genug über Chewie und den Werdegang des späteren Weltenretters.

Donald Glover als Lando Calrissian ist tatsächlich der einzige Darsteller, von dem man hier nicht genug bekommen kann. Im Zusammenspiel mit seinem Droiden sorgt er für den einzigen emotionalen Höhepunkt des Films, davor und danach ist er schlichtweg die coolste Sau des Universums. Abseits der Leinwand hat Donald Glover als Rapper Childish Gambino vor einigen Tagen übrigens ein Musikvideo veröffentlicht, über das die halbe Welt gesprochen hat, er ist seitdem der Mann der Stunde. Ihn an Bord des Falcon war wahrscheinlich der größte Coup für die Macher. In weiteren Filmen könnte er wertvoller werden als alles, was Han jemals klauen könnte.

Vorsicht: Leichte Spoiler ab hier

An einigen Szenen des Films spürt man, dass die Kreativität des „Star Wars“-Universums arg begrenzt ist. Oder eben, dass die Produzenten sich zu sehr an die Fans anbiedern möchten. Zwar hat Disney mit dem Kauf von Lucasfilm vor einigen Jahren alle Romane außerhalb der originalen Episoden als nichtig aus dem „Star Wars“-Kanon verbannt. Dennoch finden an den Haaren herbeigezogene Theorien und Ideen von zum Beispiel „Wookapedia“, dem Wiki für „Star Wars“, ihren Weg in „Solo“. Aus dem Satz „I’m talking about the big Corellian ships“, den Harrison Ford einmal sagte, wurde nun wie von Fans abgeleitet, dass Han Solo vom Planeten Corellia stammt. Auf die echte Welt übertragen kommt jeder BMW-Liebhaber aus München.

„Solo: A Star Wars Story“: Diese Cameo-Figur gibt den Zuschauern Rätsel auf
Ähnlich verhält es sich mit der Art und Weise, auf die Han den Falcon gewinnt. In „Das Imperium schlägt zurück“ wies Han seinen Freund Lando nur darauf hin, dass Lando den Falcon fair verloren hat. Irgendwann spannen sich Fans und irgendwelche Drittautoren die Geschichte vom Kartenspiel Sabacc zusammen, bei dem Lando gegen Han verloren haben soll und der Falcon den Besitzer gewechselt hat. In „Solo: A Star Wars Story“ wird diese äußerst langweilige Plotline nun tatsächlich verfilmt. Die Angst vor Fans, die sich die Geschichte um Han schon seit Jahren im Kopf zurechtgelegt haben, hindert Kasdan und Howard daran, einen eigenen und überraschenden Handlungsstrang umzusetzen. Bei den nächsten Spin-offs sollte Lucasfilm endlich wieder mehr Mut beweisen.

„Solo: A Star Wars Story“ läuft ab dem 24. Mai in den Kinos. Nach einer Pause von 18 Monaten erscheint im Dezember 2019 dann Episode IX, in der die Skywalker-Saga weitergeführt wird. 

Und so denken die Kollegen vom Rolling Stone über den Film:

Lucasfilm