Kurz & Klein


Maximilian Hecker, vor einigen Jahren als deutsches Wunderkind unter den Straßenmusikern gepriesen, kommt uns mit seinem dritten Album lady sleep (Kitty-Yo/ PI AS/Rough Trade) einmal mehr exrra-elegisch. Schon im Operier „Birch“ perlen zerlegte Klavierakkorde, dräuen die Streicher, und Heckers femininer Tenor seufzt, dass es einen ganz mitnimmt. Dann nach viereinhalb Minuten gehtder Bursche in Sachen Schwelgen-und-Stöhnen voll steil – Poor Man’s Moody Blues in der Post-Millennium-Variante. Einer der Songs heißt., Anaesthesia“ – geradezu programmatisch für diese Platte voll entrückter Sehnsuchtskundgebungen. Alles irgendwie schön und talentiert, aber nach einer Weile kann sich beim Hörer schon mal ein ähnliches Gefühl wie nach dem Genuss von zu viel Sahnetorte einstellen.Quasi als Kalorienbremse gibt’s dann im vorletzten Song unvermittelt ein paar Nu-Metal-Breaks.

Mit den Libertines, Yeah Yeahs Yeahs und Blues Explosion sind The Beat Up in den letzten zwei Jahren durch das britische Königreich gezogen – das gibt schon die Richtung vor, die ihr von My-Bloody- Valentine-Produzent Kevin Shields produziertes Debütalbum BLACK RAYDEFENCE (FantasticPbsti/Sanctuary/RoughTrade) einschlägt: Hier wird umstandslos mit viel fuzzy Gitarren und Begeisterung vom Leder gezogen, Neo-Punkrock, irgendwo zwischen den Libertines und dem ersten BRMC-Album. Wäre vor zwei Jahren ganz heiß gehandelt worden, kommt aber jetzt trotz seines Feuers möglicherweise einfach ein bisschen spät.

„Schnappschnüsse“ will der Songwriter Peter Walker mit den Songsseines Debütalbums LANDED (Cooking Vinyl/Indigo) abliefern – da ist er nicht der Erste. Macht aber nichts, die elf Songs, die er in einem alten Warenhaus in San Francisco mit u.a. Ex-Wilco lay Bennett, R.E.M.-TourdrummerJoey Waronker und Beck-Bassist Justin Meldal-Johnsen aufgenommen hat, haben lässigen, bodenständigen Charme.

The Mutts konkurrieren auf demselben Marktplatz wie die oben erwähnten The Beat Up. Ihre THE MUTTS EP (Fat Cat/Hausmusik/Indigo) macht verständlich, warum The Datsuns sie kürzlich als Vorband mit durchs United Kingdom nahmen: hochoktaniger Punkrock’n’Roll in Ramonesund MCs-Tradition, über den man sich 2002/2003 noch mehr gefreut hätte als jetzt.

Labrador nennen sich fünf Kopenhagener, die auf ihrem zweiten Album INSTAMATIC LOVELINE (Firestation Records/Allve) Easy Listening-Pop in der Traditionslinie Bacharach -Cardigans-St. Etienne machen. Sowas klingt fast immer irgendwie angenehm, aber um damit (heute noch) interessant zu sein, brauchten die Dänen speziellere Vokalisten und originellere Songs.

Abwechslungsreicher ist da, was die einstige Emocore-Formation The Spirit That Guided Us auf NORTH & SOUTH (Sally Forth Records/Allve) bietet: eine Tour durch diverse Schattierungen des Garagenrock mit viel Atmosphäre und erfreulich wenigen Klischees.

Wen die Hype-süchtige britische Pop-Presse nicht mit Attributen wie „Depeche Mode mit viel besseren Harmonien‘, „die neuen Radiohead“ oder am besten gleich „die Zukunft des britischen Pop“ bewirft, dessen Album muss man außerhalb Großbritanniens gar nicht erst veröffentlichen. The Koreans rechtfertigen auf ihrem Debüt THE KOREANS (Storm Music/Broken Silence) die Etiketten aus den Hypeautomaten mit einem cleveren Konstrukt aus hiphoppigen Beats, Electro-Punk-Sounds und trickreichen Popmelodien aber immerhin beinahe.

Ebenfalls ziemlich clever, mitunter sogar ein bisschen zu clever ist der überdrehte Pop, den das dänische Oktett Lake Placid auf seinem Erstling MAKE MORE FRIENDS (UM IS/ Universal) offeriert. Frontfrau T.K., klanglich eine Kreuzung aus Björk und Roisin Murphy, wird auf den zehn Tracks von fest ineinander verschraubten Chören, Bläsersätzen, elektronischen und elektrischen Sounds umgeben. Herausragend und deshalb Anspieltipp: Track 5 „This Air“.

Die Early Day Miners graben im Echo & The Bunnymen/Cure/Church/Bauhaus-Stollen nach musikalischem Gold. Das gelingt ihnen auf ALL HARM ENDS HERE (Talitres/Rough Trade) geschmack- und stimmungsvoll, aber ein bisschen mehr Temperament würde nicht schaden.

Der Knaller zum Schluss: Vergessen Sie alles, was Sie über deutschen R’n’B gehört haben, vergessen Sie die Naidoos, Aymans, Cultured Pearls! Was die Sängerin, Komponistin, Arrangeurin Ruth-Maria Renner alias Platnum mit den Moabeat-Produzenten DJ Illvibe und Monk auf ROCK ME (Sonar Kollektiv/Rough Trade) auffährt, lässt einem die Kinnlade herunterklappen: superfeine Vokalsätze, prägnante Themen, soulful, aber nie schmalzig, dazu eine Produktion Timbaland-style, reduktionistisch-technoid, aber absolut fett. Ein positiver Schock!