Laura Nyro


Als sie am 29. 11. 1969 anlässlich eines Konzertes in der „Carnegiehall“ zum ersten Mal europäischen Boden betrat, gab es spontan „Standing-Ovations“ für die zierliche, in schwarzen Samt gekleidete, 23-jährige LAURA NYRO. Die Besucher wussten diese Konzert der eher publikumsscheuen Laura zu schätzen, noch ehe sie einen Ton von sich gegeben hatte. Dieser Erfolg war mehr als gerechtfertigt, wenn man bedenkt, dass LAURA NYRO zu den Personen gehört, die die amerikanische Popscene mit am nachhaltigsten geprägt haben. Vielleicht tritt sie für viele aus dem Nebel der Unbekanntheit heraus, wenn man weiss, dass einige Titel von ihr vergoldet wurden, so z.B. „When I die“, für den „Blood Sweet & Tears“ eine Goldene Schallplatte bekamen, oder „Spinning wheel“. Ihre Songs sind verarbeitete Triperlebnisse. Aus ihren erotischen Rauscherfahrungen machte sie Lieder, musikalische Horrorvisionen, in denen Gott und der Teufel sich erbitterte Schlachten liefern. Für Natur und Idylle ist in ihren Songs kein Platz. „Wenn ich mein Fenster aufmache, riecht es schliesslich nicht nach Blumen – es riecht nach Pizza“. Und wenn sie hinausschaut, sieht sie nur Strassenschluchten, Autokolonnen, verdorrte Bäume und riesige Reklametafeln. Sie singt von Enttäuschung, Sehnsüchten, Armut und Pein. Vor allem aber von der Liebe und von ihren Geliebten, denen sie in ihren Turmwohnung im 19. Stock der ärmlichen New Yorker Westside am liebsten Thunfischsalat serviert. „Früher, erklärte sie, wollte sie einmal Nonne werden, aber dann hat sie entdeckt, dass sie Männer mehr braucht, als den lieben Gott“. In ihren Stücken, so urteilte die New Yorker Times, gibt es Anklänge an Gershwin und Bernstein aber Bernstein ohne Sentimentalität und Gershwin unter LSD. Sie bombardiert ihre Zuhörer mit einem Stakkato surrealer Assoziationen. Sie schreit, stöhnt, und kreischt mit einer schrillen drei-Oktaven-Stimme. Immer findet LAURA NYRO einen eigenen persönlichen Weg für ihre Musik, und sie trägt ihre Lieder in einer so unvergleichlichen Art vor, wie es nur ein Interpret mit den eigenen Werken tun kann. Wobei es keine Rolle spielt, ob sie nun allein, mit einer kleinen Gruppe, oder mit einem grossen Orchester singt. Mit 8 Jahren schrieb sie, die Tochter eines New Yorker Jazztrompeters, ihre ersten Kompositionen, und seit jenen ersten Versuchen hat sie kompromisslos, wie kein anderer vor ihr, die gnadenlose, faszinierende Lebendigkeit der Grosstadt und ihren Einfluss auf die Menschen in immer neuen Variationen in ihren Texten und Melodien eingefangen. LAURA NYRO kann keine Noten lesen.

Wenn sie im Studio ist, um Schallplattenaufnahmen zu machen, beschreibt sie den Begleitmusikern ihre Vorstellungen in Farben. So kann es sein, dass sie um eine violette Kadenz auf dem Piano bittet, oder um eine grüne Bassfigur. Natürlich ist es für die Musiker nicht immer leicht, diesen Vorstellungen zu folgen. Doch wenn man gemeinsam das Band abhört, ist meist jeder, einschliesslich Techniker, überwältigt von dem perfekten Ergebnis. Laura’s Musik lässt sich nicht einordnen oder klassifizieren. Man vergleicht sie mit Donovan, Burt Bacharach oder Aretha Franklin. Jedoch, das sind nur Umschreibungen, die den eigentlichen Kern nicht treffen. Man muss sich ihre Platten selbst anhören, um sich ein eigenes Bild von dieser zierlichen Ophelia zu machen.