Lemonheads


Den Posen, in die sich die Fans werfen, nachdem sie erfolgreich vor die edlen Füße des Evan Dando crowdgesurft sind, lassen darauf schließen, daß der lässige Blondschopf weithin noch immer als kleines Herrgöttchen gilt. Dabei hatte es der Drogengebeutelte nicht einfach in den letzten paar Jahren, und auch das neue Lemonheads-Werk ‚Car Button Cloth‘ stieß nicht eben auf Kritiker-Enthusiasmus. Da fragt man sich, was in London noch an die 2.000 Leute zu einem Lemonheads-Gig lockt. Die Antwort fällt nicht schwer: Die Halle ist voll von Fans der ergebensten Sorte – solche, die alles verzeihen würden, auch nach fünfzig traurigen Abfall-Alben noch. Bald wird jedoch klar, daß Dando niemanden verarscht. Er hat die Band – bestehend aus Ex-Dinosaur Jr. „Murph“, Alt-Lemonhead John Strohm und dem australischen Bassisten Bill Gibson – leger im Griff und hält über weite Strecken sogar die eigenen Augen offen. Zwischendurch macht er frohe Sprüche wie „Es ist eine Freude, für euch Musik zu machen“, oder „Hey Leute, wir stehen tatsächlich hier oben und spielen ein paar Songs. Das ist doch schon mal was!“ – dies als Intro für ‚Hospital‘, einen der vielen autobiographischen Songs vom neuen Album, die live bedeutend energiegeladener rüberkommen, als auf Platte. Während die Fans besonders dann jubeln, wenn Lieblingssongs wie ‚It’s A Shame About Ray‘, ‚Confetti‘, oder ‚It’s About Time‘ drankommen, horcht der weniger intim beteiligte Beobachter eher bei den subtileren, intensiveren Neuwerken auf. Speziell ‚Break Me‘ (eine Ode an Dandos vergebliche Liebe für Liv Tyler), ‚6ix‘ und ‚Losing Your Mind‘ stechen da hervor. Bei letzterem wird es gar regelrecht düster – da kommt eine Tiefe ins Spiel, die der sonstigen Abfolge von locker hingeschmissenem Grunge-Pop fehlt. Anschließend kredenzt Dando zu quietschender Fan-Ekstase ein paar Lieder solo – und dann setzt es den prätentiösen Höhepunkt des Abends: Dando sinkt auf die Knie, wirft die Arme gen Himmel und schmachtet acapella mit der Inbrunst einer Zarah Leander einen alten Broadway-Schinken.