Mutlos und beliebig: der Böhmermann-Remix von „Wetten, dass..?“


Böhmermanns Sendung hatte das Potenzial zum kleinen, aber aufrichtigen Revival. Leider ist die Show am eigenen Anspruch gescheitert.

Die „Wetten, dass..?“-Legende Thomas Gottschalk hatte seine gealterten Popstars auf dem Sofa, Jan Böhmermann nun eben einen gealterten Rapper: Eko Fresh saß auf der Couch. Das wäre beim Original zwar niemals passiert, bei ZDFneo, dem kleineren Studio und dem kleineren Budget passte es ganz hervorragend – so wie alle Gäste im ersten Teil von Jan Böhmermanns Show-Revival. Schade nur, dass die vier Gäste auch schon das Beste an der Show waren.

Jan Böhmermann ist 2016 das wichtigste Thema der Medienlandschaft. Er hat – wenn auch unbeabsichtigt – für absurdeste Schlagzeilen mit seiner Erdogan-Affäre gesorgt und stand deshalb wochenlang unter medialem Dauerbeschuss. Sein Wunsch, das große deutsche TV-Lagerfeuer in der Sendeplatzmülltonne vom ZDF noch einmal kurz anzuzünden, wurde ihm wahrscheinlich auch als Treueschwur vom Sender gewährt.

Switch-artige Satire bei Böhmermanns „Wetten, dass..?“

Böhmermann und sein Team durften also loslegen. Logo, Name und Konzept der unter Markus Lanz und fallenden Quoten hingerichteten Sendung übernehmen – und in zwei Mal 45 Minuten quetschen, von denen nun die ersten liefen. Prinzipiell war in diesen Minuten vieles drin, was man für eine „Wetten, dass..?“-Ausgabe benötigt. Couch: Check. Süßkrams auf dem Tisch vor der Couch: Check. Politiker, Musiker, Model: Check. Außenwette: Check. Fans mit gebasteltem Fan-Schild (für Jens Spahn von der CDU): Check. Poppiger Auftritt mit Medley (DJ Bobo): Check.

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Gefehlt hat leider der Ernst, die Sache dann doch konsequent durchzuziehen. Dass Böhmermann als Moderator Lust hat, war in keinem Moment zu bezweifeln. Dass er aber dann doch wieder einen Erdogan-Witz in den Opener einbaut, kurz darauf mit Show-Sidekick William Cohn rumblödelt und Saarland-Inzest-Witze macht, die eben für das „Neo Magazin Royale“, aber nicht für „Wetten, dass..?“ geeignet sind, reißt zumindest diejenigen Zuschauer aus dem Konzept, die sich aufrichtig auf das Experiment eingelassen haben. Und die wollten eben nicht sehen, wie das ehemals größte deutsche Showformat von Neo-Neckereien durchzogen wird, sondern ob der Moderator, der zumindest in der medialen Präsenz schon längst der Sparte entronnen ist, tatsächlich Showmenship für größere Formate hat.

Eine Antwort darauf blieb die Show (bisher) schuldig. Vielmehr entpuppte sich das Revival als eine halbgare Mischung aus Nostalgie hervorrufenden Details und einem Versuch Böhmermanns, das Publikum mit der Übernahme von Thomas Gottschalks Gestik und Duktus zu belustigen. Die Momente, in denen Böhmermann Gottschalk imitiert, waren neben den Wetten das größte Störfeuer. In beiden Fällen glitt die Sendung, in die offensichtlich viel Liebe für das Vorbild geflossen war, in Switch-artige Satire ab.

Die Böhmermann-Wetten

Wenn bei einer Außenwette ein Baggerfahrer versucht, seiner Frau einen Orgasmus zu bescheren und bei der Kinderwette ein Mädchen Politiker nur durch den Einsatz ihrer Füße erkennen möchte, dann ist das leider keine witzige Überhebung der teils absurden Wetten aus der langen „Wetten, dass..?“-Ära. So etwas kann man durchaus auch zotigen Holzhammer-Humor bezeichnen – und vielleicht als große Fehlinterpretation des alten Sendekonzepts deuten. Denn die Wetten haben in der großen Samstagabendshow zwar oft eine Nebenrolle gespielt und so manch unterhaltsamen Weltstar-Smalltalk unterbrochen, ob der Kandidat mit seinem Bagger oder seiner dämlichen Brille seine selbstgestellte Aufgabe erfüllt, wollte man aber trotzdem wissen.

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Das „Neo Magazine Royale“-Team driftet bei diesem essenziellen Punkt der Show in aufwendig herbeigeführte, aber schnell vergessene Gags ab. Dabei hätte man dem deutlich jüngeren Publikum Böhmermanns nur eine Bottle-Flip-Challenge anbieten müssen – der Spagat zwischen ernst gemeinter Wette und kleinerem Rahmen wäre wahrscheinlich besser gelungen als mit auswendig gelernten Witzen zwischen Böhmermann und vermeintlichen Wettpaten.

Die zwei bisherigen Wetten waren also kein süßer Samstagabend-Trash, sondern Nischen-Müll. Highlights musste man auf dem Sofa suchen. Dank eines Jens Spahn, einem der besten Showmänner der CDU, und Model Eva Padberg, die überall Glamour versprüht, kam dort tatsächlich etwas Promi-Lagerfeuer-Gefühl auf.

Gleichzeitig geehrt und ausgelacht

Ein Remix der alten Sendung sollte es werden. Perfekt versinnbildlicht durch ein Scratchen bei der Einblendung des Eurovision-Logos zu Beginn der Sendung. Nur leider wurde etwas zu viel „Neo Magazine Royale“ in den Show-Dino reingemischt. Und zu viel Sarkasmus in ein Format, das jahrelang von einer kindlichen, ironiefreien Begeisterung für alles Mögliche gelebt hat. Dieses Format lebte dazu von einem Moderator, der sich selbst komplett der Kritik gestellt hat – was für Lanz nicht gut ausging – anstatt sich an einer Imitation abzuarbeiten.

Wer jetzt argumentiert, dass das Projekt ja Satire gewesen sei, der soll sich die „Circus Halligalli“-Episode anschauen, in der Joko und Klaas „Wetten, dass?“ bereits abgehandelt haben. Böhmermanns Sendung hatte das Potenzial zum kleinen, aber aufrechten Revival und ist an seinem Anspruch gescheitert, das gesunkene deutsche Show-Schlachtschiff gleichzeitig zu ehren und auszulachen.