New Order im Interview: „Neue Songs? Das wäre schön!“


Im ME-Interview sprechen New Order über ihr Comeback, die bevorstehenden Live-Auftritte bei Hurricane und Southside 2012 und ihre Bilderausstellung in Berlin.

Musikexpress: Sie spielen auf dem diesjährigen Hurricane- und Southside-Festival, zusammen mit Headlinern wie The Cure und The Stone Roses.  Bands, die seit bald 30 Jahren dabei sind. Warum wollen die Leute heutzutage vor allem diese Gruppen sehen?
Stephen Morris: Ist schon lustig. Mir ist unlängst klar geworden, dass in diesem Jahr so ziemlich jede Band, die jemals existiert hat, wieder live auftritt. Alles Zufall!
Sumner: Die Zeiten sind für fast alle Bands schwerer geworden, die jünger sind als wir. Musik verkauft sich nicht mehr. Hörern wird es dadurch schwerer gemacht sich überhaupt auf neue Gruppen einzulassen. Wir haben einfach das Glück, dass viele Leute Platten unseres Backkatalogs besitzen.
Morris: Manche sagen gar, dass wir Platz machen sollten für jüngere: New Order – They’re stealing the stage.

Musikexpress: Musiker müssen heutzutage viel länger auf Tournee gehen um Geld einzuspielen. Deshalb veröffentlichen sie auch immer seltener Alben. New Order haben seit ihrer Reunion 2011 keine neuen Songs angekündigt …
Sumner: Für kleinere Bands ist das tatsächlich ein Teufelskreis. Man tourt sich tot.
Morris: Wo bleibt da noch Kraft um Lieder aufzunehmen?
Phil Cunningham: Und da komme ich ins Spiel. Mit meiner Band Marion habe ich schon echte Ochsentouren am Anfang machen müssen.

(Morris, Sumner und Gilian Gilbert tauschen Blicke, es sieht so aus, als wollen sie gleich lachen).

Cunningham: Okay, okay. Jetzt bin ich bei New Order, und wir übernachten im Adlon. Meine Güte!
Sumner: Joy Division war hart. Zumindest am Anfang. Die ersten vier Jahre sind wir im Minibus von Konzert zu Konzert gefahren.

Musikexpress: Mr. Sumner, Sie gelten auch nicht gerade als Fan von Musikdownloads.
Sumner: Digitale Technologie entwertet die Währung namens Musik. Ich meine nicht mal illegale Downloads. Aber die alte Leier ist doch bekannt: Sich nur einen Song statt eines Albums bei iTunes picken zu können freut den Käufer, unterstützt aber ganz sicher nicht die Band. Die Musikindustrie ist ein kranker Mann geworden.
Morris: Musik ist heute überall. Wie soll sie da noch besonders sein?
Sumner: Hier kommt die Psychologie ins Spiel. Ein Beispiel: Nehmen Sie eine kleine Reihe Ziegelsteine. Liegen sie auf der Straße, sind sie nicht mehr als eine Reihe Ziegelsteine. Stellen sie diese jedoch in eine Kunstgalerie – ist es schon Kunst. Es geht hier einzig und allein um die Präsentation. Und so ist es mit der Musik auch.

Musikexpress: Und wann veröffentlichen New Order neue Musik?
Sumner: Um beim Kaufaspekt zu bleiben: Uns drängt nichts, wir müsse keine neue Musik verkaufen. Das wirkt befreiend!
Gilian Gilbert:  Wir sind derzeit wieder dabei uns neu kennen zu lernen.  Ich war ja lange Zeit kein Mitglied bei New Order (zwischen 2001-2011 pausierte Gilbert). Es wäre schön in der Zukunft neue Songs zu veröffentlichen.

Musikexpress: Bei ihrer Ausstellung im Berliner .HBC werden die Joy-Division-Cover von Peter Saville gezeigt, sowie Kevin Cummins’ Fotos von New Order und Joy Division. Beschäftigen Sie sich eigentlich noch mit Ihren alten Covern?
Sumner: Nein. Aber auch die, die ich nicht so gerne mochte, gefallen mir inzwischen (alle lachen).

Musikexpress: Joy-Division-Fans, aber auch ihr Ex-Bandkollege Peter Hook, reagierten unlängst erbost, als der Disney-Konzern für ein T-Shirt das „Unknown Pleasures“-Cover mit Micky-Maus-Ohren drucken ließ.
Sumner: Wir wussten von dieser Aktion gar nichts. Ich denke darüber auch nicht großartig nach. Ich kann nur sagen: das „Unknown Pleasures“-Motiv gehört zu Joy Division. Und bei dieser Band sollte es auch bleiben.

Musikexpress: Eines ihrer bekanntesten jüngeren New-Order-Cover, „Get Ready“ von 2001, ziert ein Foto von Nicolette Krebitz. Kennen Sie Frau Krebitz?
Sumner: Ich habe sie persönlich noch nicht getroffen. Aber ich hoffe doch, sie kommt zu unserer Ausstellung.

New Order – An exhibition featuring works by Peter Saville und Kevin Cummins,
21.06. – 04.07.2012
Di bis Sa: 18 – 23 Uhr
Karl-Liebknecht-Str. 9
10178 Berlin