Nirvana: Nirvana – Nevermind


Unter uns: BLEACH war besser. Nicht so produziert, direkter, echter Grunge eben. Vor allem aber: Es ist die Platte, die … Hier, die Rechnung, habe ich aufgehoben, Februar 1990, Vinyl, bestellt bei einem Mailorder, der sich auf SubPop- und sonstige Grunge-Platten (Green River z. B., nicht Alice in Chains!) spezialisiert hatte … Jedenfalls ist BLEACH die Platte, deren früher Besitz die geschmacklich versierten Männer der ersten Alternativrock-Stunde auszeichnete. Sie oho! – erkannten die musikalische Revolution im Keimstadium. Wassn Quatsch! Nix gegen bleach. diese Platte hatte ihre Vorzüge. Ein überdurchschnittliches Debüt. Kurt Cobain, der Rockträumen hintendrein schlurfende Provinzschluffi, ungefragter, bald unwilliger, bald zu Grunde gerichteter Sprecher der Generationen mit Namen X, ein Erneuerer, Kompromisshasser, Brecher des Musenstreiks, der dem Rock eine runde halbe Dekade lang kaum einen ordentlichen Song zugestanden hatte, hinterließ darauf bereits Spuren seines Genies. Doch erst der Pakt mit dem Teufel (Industrie: Geld; Butch Vig, die alte, kalte Wummerkram-Schleuder etc.) ließ die drei rotzigen Würmchen aus Aberdeen die Herrlichkeit schauen, die ihr zweites Album NEVERMIND in den Rockolymp katapultierte. Wer 1991 live dabei war bei MTV, wo zwischen all dem Mist „Smells Like Teen Spirit“ immer doller rotierte, in den aufgewiegelten Indieclubs, die bis dahin noch mehr schlecht als recht von den nicht zu späten 80ern gezehrt hatten, in Ralfs, Peters oder Katjas Kadett, Polo oder Datsun auf der „Suche nach der Party, die gerade nicht ist“ (Die goldenen Zitronen), wird noch künden können von der Eruption, die nevermind auslöste. Aber er wird seine erste Begegnung mit diesem höchsten Zusammentreffen von Punkrock, Hardrock und Pop der Geschichte auch verklären. Denn was man sich gar nicht mehr vorstellen kann, weil es doch eigentlich kaum etwas Offensichtlicheres geben kann als diese Platte: NEVERMIND sprang beiliebe nicht jeden an. 1991 war die Mehrheit einfach noch nicht in der Lage, diesem Meisterwerk den Willkomm zu entrichten, den es verdient gehabt hätte. Zu viele dauergelockte Schlockrocker hatten zuvor zu viel Unheil angerichtet. „Smells Like Teen Spirit“ musste Millionen von Ohren erst einmal frei pusten. Laut/leise-Sprünge, eine heftige Wechselwirkung von Melancholie und Euphorie und Cobains angegriffene Stimme, die klang, als würde nicht sein Mund, sondern das Loch im Knie seiner abgewetzten Jeans diese Töne hervorpressen – waren den grundsätzlich Rockfähigen diese Gegebenheiten erst einmal geläufig, verfielen sie dieser Platte umso hemmungsloser. Wie ging das zu, was ist passiert? Nun, Kurt Cobain mochte nevermind selbst zwar noch am Studiotor als „zu glatt“ geißeln und seinen Punk-Ethos in großer Runde spazieren führen, in der Zerstörung Erfüllung suchen: Seine Liebe für anmutige Melodien war dennoch unerschütterlich und kannte insgeheim keine Geschmacks- und Genregrenzen. Und so schrieb er für nevermind Songs, die in zeitgemäßen, entlärmten, bräsigeren Arrangements auch in den 70ern ihre früher vergreisenden Freunde gefunden hätte. Melodien fürs Radio jenseits von Collegerock, für Cheap Trick, Boston, Aerosmith, Klassiker für eine Welt, die in Ordnung ist, so wie sie ist: klein, überschaubar, ungefährlich. Dass NEVERMIND dennoch ganz im Gegenteil um so riesiger, unermesslicher. zorniger über alles bislang Dagewesene im Rock hinauswuchs, genau das war das herausragende Talent von Nirvana.

Produzenten: Butch Vig, Nirvana

Beste Songs: „Smells Like Teen Spirit“, „Come As You Are“, „Lithium“

What’s the story? Der Titel „Smells Like Teen Spirit“ geht auf ein Graffiti zurück, das eine Freundin an Cobains Wand sprühte: „Kurt smells like teen spirit“. Er fasste das als Kompliment auf: Ja, er war wohl ein Mann der „teen revolution“. Tatsächlich gab es jedoch ein Deo, das diesen Namen trug: „Teen Spirit“. Als Cobain sich dessen bewusst wurde, war es zu spät: „Smells Like Teen Spirit“ war bereits geschrieben.