Noel Gallagher: „Dumme Sau“


Nicht nur auf seinen kleinen Bruder Liam drischt Noel Gallagher mit Worten ein. Auch ein Mitbewerber bekommt sein Fett ab.

Zweimal wurde das Interview schon verschoben. Diesmal scheint es zu klappen. ER ist da. „Keine Fragen zu Patsy Kensit oder zu seiner Freundin Meg“, raunt die Pressebetreuerin. „Am besten nur über das neue Album reden.“ Na, toll. In einer Suite im fünften Stock des Münchner Marriott-Hotels fläzt sich der König des Britpop auf einer Couch und gähnt betont desinteressiert hinter seiner Sonnenbrille hervor.

Mit dem letzten Album hast du die Meßlatte ziemlich hoch gehängt. Wie bist du mit dem hohen Erwartungsdruck fertig geworden?

Zum Großteil setzte ich mich selbst unter Druck. Ich will einfach nicht, daß irgendwer unsere Platte scheiße findet.

Die neuen Songs sind also die besten, die du je geschrieben hast?

Nein. Die besten Songs, die ich je geschrieben habe, sind auf „Morning Glory“, „Wonderwall“ oder „Live Forever“ zum Beispiel. Obwohl… (überlegt) „D’You Know What I Mean“ oder „All Around The World“ auf dem neuen Album sind auch ziemlich gut.

Konntest du denn nicht alle Ideen verwirklichen, die du für „Be Here Now“ hattest?

Doch, im Grunde schon. Aber inzwischen langweilen mich die Songs schon wieder. Ich denke schon an das nächste Album. Ich arbeite sogar schon dran.

Du arbeitest jetzt schon am nächsten Album?

Ja, aber mehr möchte ich dazu noch nicht sagen.

Hat sich denn deine Zusammenarbeit mit den Chemical Brothers in irgendeiner Weise auf die Aufnahmen ausgewirkt?

Nur bei „D’You Know What I Mean“. Ich wollte, daß die Drums so laut wie möglich klingen.

Viele Leute glaube ja, daß Bands wie die Chemical Brothers oder auch The Prodigy die Zukunft des Rock darstellen.

Kein Mensch kann die Zukunft voraussagen. Vor fünf, sechs Jahren haben die ganzen kleinen Techno-Scheißer behauptet, der Rock’n’Roll sei tot. Kein Mensch würde noch Gitarren hören wollen. Und was ist passiert? Wir sind gekommen und haben mehr Platten verkauft als sich irgendwer vorstellen konnte. Wir sind die Zukunft des Rock’n’Roll.

Du hast – zumindest in England alles erreicht, was ein Rockstar erreichen kann. Gibt es für dich überhaupt noch ein Ziel?

Ja. Ich hätte gern ein Nummer-Eins Album und eine Nummer-Eins-Single in Amerika. Oder noch besser ein Nummer-Eins-Album auf der ganzen Welt. Aber das wird eines Tages sowieso passieren.

Wie definierst du Erfolg für dich?

(grinst) Erfolg ist für mich, einen Wahnsinns-Landsitz außerhalb Londons zu besitzen: mit vier Autos, für die ich keinen Führerschein habe, drei Hausmädchen, einer blonden Ehefrau,Tennisplatz, einem 300-Ouadratmeter-Studio, Satelliten-Empfang und vier Katzen. Dazu 15 Millionen Pfund auf der Bank und einen guten Manager.

Das meiste davon besitzt du ja schon. Hast du da überhaupt noch Kontakt zum richtigen Leben? Weißt du zum Beispiel, was eine Tüte Milch kostet?

Nun, ich gehe immer noch selber Klamotten und Essen kaufen. Es ist einfach eine Frage, ob du in Kontakt mit der echten Welt bleiben willst oder nicht. Ich weiß, was eine Milchtüte kostet, nämlich 45 Cent. Ich will nicht vor dem normalen Leben flüchten. Ich weiß nicht, wie man Songs für die Leute schreiben soll, wenn man ihr Leben nicht kennt. Ich glaube, daß ich immer noch ein gutes Gespür dafür habe, was die Leute so beschäftigt.

Du wirst auf Schritt und Tritt von Journalisten verfolgt. Geht dir das nicht auf die Nerven?

Ich mag das. Okay, wenn ich die Wahl hätte, ob ich jedesmal fotografiert werden möchte, wenn ich das Haus verlasse, würde ich das wahrscheinlich abstellen. Aber ich habe leider keine Wahl. Die Journalisten stürzen sich eben auf die Themen, die die Leute wollen. Und das sind neben der Regierung nun mal wir.

Wobei du wahrscheinlich für die Presse interessanter bist als die Regierung. Du nimmst reichlich Drogen…

(mit gespielter Entrüstung) Wer? Ich? Ich nehme überhaupt keine Drogen. Da ist eine böse Kampagne der gesamten Presse gegen mich am Laufen. Ich habe noch nie in meinem Leben irgendwelche Drogen genommen. Ich weiß nicht, woher solche Lügen kommen.

Das stimmt also alles nicht?

(lacht) Natürlich stimmt es. Ich nehme alles. Crack, Heroin, Klebstoff, Insektenvernichter, Lösungsmittel, Benzin, Kunstdünger… Ich bin eine wandelnde Chemie-Fabrik.

Wie lange wird es Oasis noch geben?

Sobald die Sache anfangen sollte, mich zu langweilen, werde ich aufhören. Vielleicht noch 5 Jahre, dann ist höchstwahrscheinlich Schluß.

Wie würde dein Leben ohne Oasis aussehen?

Nun, es wäre vor allem wesentlich ruhiger und friedlicher als mein Dasein jetzt. Ich habe keine Angst davor. Ich könnte ja weiterhin Musik machen. Wenn die Band morgen auseinanderbrechen würde, weil ein Mitglied die Band verläßt, hätte ich kein Problem damit.

Gäbe es denn dafür einen triftigen Grund?

Nein. Ich habe ja auch nur gesagt, es könnte sein. Ich werde jedenfalls niemand anbetteln, doch bitte in der Band zu bleiben.

Denkst du dabei an Liam?

Vielleicht.

Sind die ganzen Streitereien mit Liam nicht nur ein Medien-Gag?

Nein. Das ist meisten sind sogar ziemlich ernst. Nur können das die meisten Leute nicht nachvollziehen. Er ist mein Bruder, und es geht nur uns zwei was an.

Was stört dich am meisten an Ihm?

Wenn ich jetzt alles aufzähle, was mich an ihm stört, sitzen wir morgen noch hier. Er regt mich einfach auf. Die ganze Zeit. Er geht mir auf den Sack. Ich kann es nicht definieren. Es ist halt so.

Du hast unlängst erklärt, daß Oasis für viele Leute wichtiger sind als Gott. Die Parallele zu John Lennons legendärem Zitat, daß die Beatles populärer seien als Jesus Christus, Ist unverkennbar…

(verstimmt) Ich habe gesagt, daß es Popstars gibt, die mir wichtiger sind als Gott… Eigentlich will ich zu diesem Thema nichts mehr sagen.

Du hast jahrelang einen Privatkrieg gegen Damon Albarn geführt. Inzwischen bis du wesentlich erfolgreicher als er. Ärgerst du dich immer noch über ihn?

Ärgern trifft es nicht richtig. Das geht tiefer. Er ist und bleibt eine total dumme Sau.