Interview

Pauls Jets im Interview: „Songs über Isolation und Daheimbleiben machen mich aggressiv“


Paul Buschnegg, der Kopf der jungen Wiener Band Pauls Jets, redet mit uns über Musik in der Isolation, verlegte Konzerte und das neue Album HIGHLIGHTS ZUM EINSCHLAFEN.

Paul Buschnegg von Pauls Jets ist Zuhause. Eigentlich wären er und seine Band gerade als Vorgruppe von Die Sterne mit ebenjenen auf Tour, aber daraus wurde – aus bekanntem Grunde – nichts. Jetzt verbringt der Sänger und Gitarrist der Wiener Band, die im Winter ihr zweites Album aufgenommen hat, seine Zeit notgedrungen daheim. Bei „Rum Tonic“ (der Gin war aus), der nach Weihnachtspunsch schmeckt, haben wir telefonisch mit ihm über die Platte HIGHLIGHTS ZUM EINSCHLAFEN, Musikmachen in der Krise und Konzerte trotz Ausgangsbeschränkungen geredet.

Musikexpress: Paul, was machst du momentan? Lebst du vom Musikmachen oder hast du auch einen „Brotberuf“, der dich jetzt über Wasser hält?

Pauls Jets sehen sich dieser Tage so, wie alle anderen sich auch sehen, wenn sie sich sehen – per Videochat

Paul Buschnegg: Ich mache eigentlich nicht viel. Meine kleine Schwester ist bei mir eingezogen und wir machen uns eine lustige, aber auch unaufregende Zeit. Es gibt einige Förderprogramme, ich lebe aber nicht nur von der Musik und nein, ich habe keinen richtigen Brotberuf. Ich mach eine Ausbildung zum Kunst- und Werklehrer, schon seit ein paar Jahren, auf der Angewandten (Universität für angewandte Kunst Wien, Anm.). Da geht aber gerade auch nicht viel weiter. Sonst bin ich ein paar Mal mit dem Auto rausgefahren an den Stadtrand, an die Donau, war spazieren. Man sagt ja, wenn die Welt untergeht, geht sie in Wien zwanzig Jahre später unter. Also ich versuche cool zu bleiben.

Ist das jetzt auch eine Krise für deine Band oder eine willkommene Pause? Ist jetzt überhaupt Pause?

Ja, es ist eine Krise für die Band, finde ich. Wir mussten einige Konzerte absagen, zum Beispiel die Shows mit den Sternen in Hamburg und Berlin, ein paar weitere kleine in Österreich, und wir werden bestimmt noch ein paar weitere absagen müssen. Als Band funktionieren wir eigentlich nur, wenn wir zusammen unterwegs sind, „arbeiten“, sozusagen. Wenn es nichts zu tun gibt, keine Konzerte, rufen wir uns nur hin und wieder an, um zu fragen, wie es so geht. Wir machen keine Online-Jams oder so. Wenn die Krankheit langsam zurückgeht, würde ich mir wünschen, zu dritt das neue Album live einzustudieren, solange sonst nichts geht. Aber das kann noch dauern. Wir müssen die Situation als Band einfach so hinnehmen und andere Sachen machen. Selbst wenn daraus nichts entsteht, dann kochen wir eben und schauen „Harry Potter“-Filme an. Ist ein angenehmes Phänomen der Anti-Selbstoptimierung, diese Zeit. Es widerspricht dem Konzept des Fleißes. Finde ich schön. Und es macht aus der Stadt etwas Gefährliches. Ich fühle mich wie ein Agent, wenn ich außer Haus gehe, es fühlt sich verboten an. Es macht Spaß, damit zu spielen.

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Apropos Spielen, machst und schreibst du gerade auch Musik?

Ich habe meiner Schwester ein paar Akkorde auf der Gitarre gezeigt und wir spielen ein bisschen, aber ich sage jetzt nicht, ich nutze die Zeit und schreibe was.

Warum nicht? Fühlst du dich ob der Krise in einem Tief, oder schreibt ihr normalerweise als Band gemeinsam?

Ich schreibe eigentlich allein. Nicht immer, aber doch fast immer. In einem Tief bin ich nicht. Aber dadurch, dass so wenig passiert, weiß ich auch nicht, über was ich schreiben soll. Ich reagiere eher auf die Sachen, die um mich herum passieren, und kommentiere sie. Ich habe gerade nicht das Gefühl, schreiben zu müssen, die Krankheit und die Berichterstattung darüber lähmen mich, verursachen einen ewig langen, einsamen Sonntag, an dem ich zu faul für alles bin, und alle anderen auch. Wenn es noch lange dauert, wird bestimmt etwas entstehen. Aber ob das gut ist, weiß ich nicht.  Songs über Isolation und Daheimbleiben machen mich richtig aggressiv gerade, da muss ich das Radio abdrehen.“

Hörst du momentan viel Musik?

Eigentlich nicht. Ich wechsle immer zwischen Ö1 und FM4 (zwei österreichische Rundfunksender, Anm.) hin und her, sonst habe ich noch ein paar CDs rumliegen, die ich nie hör‘, und jetzt aber doch. Kennst du Lil Peep? Über den habe ich mir eine Doku angeschaut – den find ich gerade interessant.

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Was war denn die Inspiration für euer neues Album?

Es ist, wie oft zweite Alben, etwas düsterer geworden, das war nicht zu umschiffen. Oft hab ich mir keine Gedanken gemacht, sondern die Zeilen und die Töne hingeworfen und sie so genommen, wie sie dann gelegen sind. Es geht nicht wie auf dem ersten Album ums Untersuchen von Popmusik oder um Gags. Es ist kein Versuch, kein Experiment, kein Übungsraum, kein Zaubergarten. Es ist ein normaler Garten, aber weil es dunkel wird, verschwimmen die Formen, der Rasenmäher ist dann ein Geist, zum Beispiel, und das Handy die einzige Lichtquelle.

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Worüber schreibst du auf HIGHLIGHTS ZUM EINSCHLAFEN? Gibt es ein Kernthema?

Da gibt es schon ein paar Themen, die sich durchziehen. Ich glaube, das Album ist nicht besonders kryptisch und recht einfach lesbar gestaltet. Es geht nicht um Phantasiewelten oder Utopien, es ist auch nicht sehr poetisch. Es geht um gar nichts, in Wirklichkeit. Ich habe damit nichts bearbeitet, kommentiert oder erforscht. Auch nicht mich. Das Album will nichts! Aber es ist ja nicht nur mein Album, bald ist es draußen, dann will es vielleicht doch etwas, verstehst du? Die Themen sind nicht schwer zu erkennen. Das Album hätte auch 14 LOVESONGS heißen können. Die Traurigkeit ist der Bogen.

Euer erstes Album ALLE SONGS BISHER wurde von Musikexpress ja hoch gelobt. Hat sich für euch beim zweiten Album etwas geändert?

Zum Album fällt mir ein, dass wir Lust darauf hatten, mehr als Band zu dritt einzuspielen, auch live. Ganz anders als beim ersten Album. Durch die vielen Shows 2019 fanden wir heraus, wie man zusammenspielt und gewannen den Eindruck, dass es besser zu dritt klingt, als wenn wir 1000 Computersounds darüber geben. Das war eher das Konzept des ersten Albums. Wir waren dann aber doch nicht konsequent oder zu faul um viel zu proben – und so ist es wieder ein Mittelweg aus Sampling und Jamming. Romy (die Bassistin der Band, Anm.) singt mehr mit, die Band spielt organischer und runder zusammen. Wir haben das Album sehr entspannt eingespielt, in circa sieben Tagen, im Jänner. Davor gab es aber schon viele Skizzen. Überhaupt war ich sehr unglücklich, nach den sieben Tagen war alles wie magisch zusammengefügt. Wir waren sehr froh.

Wann kommt die Platte heraus?

Das Album sollte am 29. Mai 2020 herauskommen, ich weiß aber nicht ob das jetzt passieren wird. Viele Bands verschieben zurzeit ihre geplanten Veröffentlichungen. Mal schauen, wie wir es machen. Geplant war ein außergewöhnliches Konzert im Wiener Konzerthaus am 27. Mai, das wird sehr wahrscheinlich verschoben.

Gibt es schon Ersatz für das Release-Konzert? Dein Kollege und Lotterlabel-Gründer Herwig Zamernik (alias Fuzzman) hat ja vor ein paar Jahren „Walking Concerts“ mit Kopfhörern gemacht. Das könnte man ja sogar auch mit Sicherheitsabstand machen…

Ja, voll, ich frag den Herwig einfach, wie das funktioniert! (lacht)

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Österreichische Musikerkollegen von Problembär-Records wie etwa der Nino aus Wien machen Online über YouTube oder Instagram Wohnzimmer-Konzerte. Hast du sowas auch vor?

Also, ich finds cool, und wenn jemand auf mich zutritt, sag ich nicht nein. Aber konkret vor habe ich es nicht.

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Nichts ist dieser Tage und Wochen sicher. Haltet ihr trotzdem an neuen Live-Gigs fest?

Ja, für den Herbst. Das wird ein Kultur- und Partyherbst, hoffe ich.

Die Deutschland-Tour von Pauls Jets soll im Herbst 2020, so Corona will, stattfinden. Hier nochmal die Termine.

Pauls Jets auf Tour 2020

  • 30.09. Leipzig, Noch Besser Leben
  • 01.10. Hamburg, Molotow Skybar
  • 02.10. Berlin, Berghain Kantine
  • 05.10. Dortmund, FZW
  • 06.10. Köln, Die hängenden Gärten von Ehrenfeld
  • 07.10. Wiesbaden, Schlachthof
  • 08.10. Schorndorf, Manufaktur
  • 09.10. Ulm, Hudson Bar
  • 10.10. München, Import Export
  • 04.11. Nürnberg, Club Stereo

Tickets gibt es online bei Eventim sowie an allen bekannten Vorverkaufsstellen.

Pauls Jets bestehen aus Schlagzeuger Xavier Plus, Bassistin und Sängerin Romy 깊은 바다 Park und Gitarrist und Sänger Paul „Hochhaus“ Buschnegg. Im März 2019 veröffentlichten sie ihr Debütalbum ALLE SONGS BISHER, es folgte die EP VIER NEUE SONGS. Das zweite Album HIGHLIGHTS ZUM EINSCHLAFEN wird voraussichtlich am 29. Mai erscheinen. Musikexpress-Autor Christian Ihle belohnte „das beste österreichische Indie-Pop-Album seit LIBERTATIA von Ja, Panik“ in seiner Rezension mit sensationellen sechs von sechs Sternen.

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