Pink Floyd


PINK FLOYD, experimentierfreudiges Popquartett aus der Universitätsstadt Cambridge, die durch ihre LP’s „A saucerful of secret“, und „Ummagumma“ eine neue musikalische Botschaft formulierten, weilten für 3 Concert-Dates in Deutschland. Es galt, die bisher neueste und zugleich umstrittendste LP „live“ aufzuführen, nämlich „Atom Heart Mother“. Zu diesem Zweck wurden 3 Tonnen hochwertige, elektronische Geräte per LKW durch Deutschland transportiert. Das musikalische Team, bestehend aus: Roger Waters, Bass & Vocal, Richard Wright, Organ & Keyboards, David Gilmour, Leadguitar, Nick Mason, Percussion, 17 Mann gemischter Chor, 10 Bläser und 1 Dirigent wurden dafür eigens per Charterflugzeug nach Deutschland eingeflogen. Toningenieure erprobten jeweils einen ganzen Tag die Akustik in den Konzerthallen von Hamburg, Münster und Offenbach. Und das hauptsächlich wegen dem 23 Minuten-Opus „Atom Heart Mother“.

Der Aufwand sei zu gross“, motzten die einen – „Ein herausragendes musikalisches Ereignis“, prophezeiten die anderen. Nun, was die einen zu hoch stapelten, bauten die andern wieder ab. Und keiner traf dabei den Kern. Ich meine, man muss sich mit den Tatsachen abfinden, dass PINK FLOYD nun einmal grossen Wert auf akustische Perfektion legt; ihr Sound ist schliesslich nach diesen Massstäben aufgebaut. Und so bekamen denn auch die fast 5.000 Besucher, die sich in der überfüllten Münsterlandhalle eingefunden hatten, ein Stereokonzert der Super-Super-Klasse serviert. Es waren bis zur Pause bekannte Stücke, „Careful with that axe, Eugene“, „Astronomy domine“, „A saucerful of secret“, oder „Set the controls for the heart of the sun“, die jedoch live und durch mehrere 100 Watt verstärkt einen solchen Grad von Intensität erreichten, der zum wahnsinnig werden war. Man sitzt in einem Meer von Sphärenklängen, die von überall und irgendwo kommen. Wenn man die Augen schliesst, kann man nicht mehr mit Sicherheit bestimmen, wo sich die Gruppe befindet.

Ein sogenannter „Azimuth Co-Ordinator“, den die Gruppe entwickelt hat, ermöglicht Maschinengewehrgeratter, Möwengeschrei. Bombenexplosionen, dröhnende Düsenflugzeuge oder Wassergeplätscher. Der Toningenieur, der zu PINK FLOYD gehört, wie das Salz in die Suppe, kann durch ein kompliziertes sieben-kanaliges Misch- und Steuersystem alle Geräusche zu den Stücken einspielen, oder instrumenteil imitieren. Dieser ganze Aufwand an Technik war jedoch für den Opus von der „Mutter mit dem Atomherzen“ nicht nötig. Was sonst bei P1NKY an Elektronik eingesetzt wurde, übernahm bei diesem Stück der gemischte Chor und die Bläser. Man hat die sonst übliche Elektronik durch menschliche Ausdrucksmöglichkeiten ersetzt. „Atom Heart Mother“ ist konzertant, reif für die Oper. So gibt es zum Beispiel eine Ouvertüre, ein Adagio (langsames Zwischenstück) und das Finale. Doch durch die Atmosphäre, die in Münster herrschte, wurde diese Klassik in einen zeitnahen Rahmen gebracht. Die 5.000 iiessen es nicht an Aufmerksamkeit fehlen und waren begeistert von dieser konzertreifen Aufführung. Ich glaube, dass schon vielen vor diesem Besuch klar gewesen ist, nicht nur PINK FLOYD zu hören, sondern ein Stück experimenteller Musikgeschichte. Anders konnte ich mir die Stille, die während des Stückes herrschte, nicht erklären. Erst als das Finale abgeklungen war und weich auslief, prasselte der Beifall auf, wie trockene Holzscheite im Feuer. Eine Zugabe war fällig. Der Dirigent nahm nochmals seinen Platz ein, Chor und Bläser ordneten sich von neuem und das Finale wurde nochmals mit aller Kraft gespielt. „Drei Stunden intensiv PINK FLOYD und man ist geschafft“, das hörte ich verschiedentlich, als ich die Halle verliess und mich draussen ein unfreundlicher, regnerischer Februarabend empfing.