Rammstein


An dieser Band scheiden sich die Geister - von manchen verteufelt, von vielen so heiß geliebt wie das Feuer auf ihrer Bühne. Ein Interview von Peter von Stahl.

In der Presse liest man bis heute in Rammstein-Storys immer wieder Adjektive wie „kontrovers“, „faschistoid“ oder „gewaltverherrlichend“. Übt es sich gut mit diesem Image?

Richard Kruspe: Wir stellen Gewalt nur dar in unseren Shows und thematisieren sie in unseren Texten. Gewalt auszuüben oder zu propagieren, lehnen wir strikt ab. Jede Art von Musik bedient ja ein Klischee im Kopf eines Journalisten. Rammstein hat diese Härte, diese Metal-Gitarren. Da tauchen sofort die passenden Klischees im Kopf auf: lange Haare, kurze Hosen, amerikanischer Metal. Und dann kommt eine Band, die das alles nicht mehr bedient, die ein ganz anderes, sehr eigenes Auftreten hat – und schon brauchen sie eine neue Schublade. Und da steht wahrscheinlich „kontrovers“ drauf.

Das erzählt jeder Künstler im Interview – keiner will in eine Schublade passen. So revolutionär neu ist eure Musik nun auch wieder nicht.

Richard: Aber anders als ähnliche Bands wie Krupps oder Front 242. Rammstein ist einfach eigen. Es gibt keine Band, die so klingt wie Rammstein. Till Lindemann: Ich muß nur mal bei uns in den Nachbarproberäumen zuhören: links klingt es wie Pearl Jam, rechts wie irgendetwas anderes, was man längst kennt. Man versucht, es sich einfach zu machen. Richard. Vielleicht haben sie es einfach auch nie lernen können, weil sie immer nur einen Markt bedienen wollten. Im Westen noch extremer als bei uns im Osten. Da war gar kein Markt, den man bedienen mußte.

Till: Nach der Wende bin ich in den Westen rübergefahren und hab‘ mir von meinem Begrüßungsgeld erst mal den Bauch mit Gummitieren vollgeschlagen, mit Joghurt und all den Sachen. Aber das war es dann auch. Ähnlich ging es mit der Musik: Es gab so viel. Aber bald hat man gemerkt, daß dort das Wasser auch nicht heißer gekocht wird als bei uns. Früher haben wir uns wochenlang auf ein Konzert gefreut, heute kannst du in Berlin 30 bis 40 Dinger jeden Abend ansehen.

Mit harter, deutsch klingender Musik tun sich die deutschen Medien schwer. Plattenkäufer und Konzertgänger scheinen damit bei euch kein Problem zu haben.

Till: Das Problem der Medien mit uns hat auch was mit Mangel an musikalischer Tradition und Geschichte zu tun, denn mit der nachvollziehbaren deutschen Geschichte möchten auch wir nichts zu schaffen haben. Nach dem Krieg haben Amis und Engländer den Rock gebracht, und abgesehen vom deutschen Schlager war da nie etwas, das seine Wurzeln hier bei uns hatte.

Das ist auch eine Frage der Phonetik. Till rollt tief und beschwörend das „R“ – und schon denkt jeder an den Sound einer Original-Schellack mit Göbbels-Reden.

Till: Dabei ist das rollende „R noch nicht einmal aus Absicht entstanden. Es kam von selbst, weil du in dieser tiefen Tonlage automatisch so singst. Ich bin kein Musiker im eigentlichen Sinn. Mir fehlen sämtliche Kenntnisse an den Instrumenten. Aber ich kann mit meiner Stimme und den Texten unserer Musik einen guten Support geben. Es ist eine Frage der Illustration, der Klangfarbe, der Phonetik. Wir wollten damit um Gottes Willen keine faschistische Attitüde erschaffen. Erst später, als wir in Interviews dazu befragt wurden, haben wir uns damit auseinandersetzen müssen.

Und doch ist es bestimmt kein Zufall, daß Ihr für David Lynch und nicht für Walt Disney Musik liefert.

Lynch-Filme waren wegen seiner Vorliebe für die schmale Brücke zwischen „Vernunft und Trieb“ (aus dem Rammstein-Song „Du riechst so gut“) im Grunde nie etwas anderes als verfilmte Rammstein-Sujets nur macht er eben Filme und keine Musik.

Richard: Vor allem ist er Amerikaner. Bei uns könnte es keinen Lynch geben. Der einzige, der mir einfällt, ist Werner Herzog-da sehe ich manchmal Rammstein-Bilder. Till: Die Deutschen haben nur mit Sachen in Deutschland ein Problem. Sobald eine Sache international Anerkennung findet, wird sie auch hierzulande salonfähig. Das haben wir durch den David Lynch-Film gemerkt: deutsche Autos, deutscher Fußball, deutsches Tennis, Formel Eins – alles kein Problem. Aber solange es im Lande bleibt, gibt es unwahrscheinliche Reibereien.

Die „Bravo“ hat keine Probleme mit euch – dort firmiert ihr als „Heavyband mit Feuerteufel als Sänger“.

Till: Für mich war das toll. Meine Tochter ist ja erst zwölf Jahre alt, und sie hat nie verstanden, warum ich so oft unterwegs bin, so oft wegfahre. Jetzt kann sie den Grund dafür endlich in ihrer Zeitung nachlesen.

Hort deine Tochter Rammstein oder doch lieber Boygroups?

Till: Nein, die hört was anderes. Boygroups mag sie nicht sogern, sie hat lieber elektronische Sachen mit Melodie.

Wie bringst du als alleinerziehender Vater Arbeit und Familie unter einen Hut?

Früher war das nicht so schlimm, da hab ich Schlagzeug in einer Punkband gespielt, und wir hatten praktischerweise unseren Proberaum in dem Haus, in dem ich gewohnt habe. Sieben Jahre lang habe ich sie allein gehabt, inzwischen teile ich mir die Elternschaft wieder mit der Mutter meiner Tochter, weil ich ja die Hälfte des Jahres mit der Band unterwegs bin.

Wie reagiert deine Tochter eigentlich auf die harten Rammstein-Texte?

Till: Die kichert dann immer. Die extremen Sachen versteht sie ja noch nicht.

Kinder sehen Filme und Nachrichten im Fernsehen zu diesen Themen, ohne sie zu verstehen. Ähnlich wird es auch den jüngeren Fans bei euren Texten gehen.

Till: Wir hatten ja nie die Absicht, für 13- oder 14jährige Musik zu machen. Das hat sich erst in der letzten Zeit durch „Bravo“, „Viva“ und so weiter entwickelt. Aber wenn ich sehe, was im Fernsehen im Nachmittagsprogramm läuft, in den Nachrichten, was in der Zeitung steht – damit müssen sie sich auch auseinandersetzen. Bei ihren Idolen Tic Tac Toe müssen sie sich mit Prostitution auseinandersetzen, mit Drogen. Oder mit Tamponwerbung im Fernsehen, wo sie kleine, versteckte Gesten beim Abendessen sehen – wie sollen wir da verstörte Kinder hinterlassen?

Immerhin ist in der Werbung die Menstruationsflüssigkeit in einem freundlichen Hellblau gehalten. Bei Euch ist Blut noch Blut tief rot.

Till: In ersten Linie machen wir unsere Musik für uns selbst. Und die Bilder, die sie in den Leuten projiziert.sind sehr verschieden. Bei einigen stoßen die Texte auf völliges Unverständnis, aber die finden vielleicht die Musik gut und lassen sie einfach fließen. Andererseits hat mir neulich ein Mädchen erzählt, sie sei bei einer Performance als die Nutte gelaufen, die in unserem Lied „Seemann“ vorkomme – die Nutte, die an der Laterne steht.

Die in dem Text natürlich nie erwähnt wird…

Till. Soll ich ihr erklären, daß es nicht um eine Nutte geht, sondern um dies und das? Es ist doch ihr Bild, ihre Geschichte zu dem Song.

Wenn ihr auf der neuen Platte in Songs wie „Bück Dich“ oder „Bestrafe mich“ über SM-Phänomene singt, sind die Bilder klarer vorgezeichnet.

Richard: Gestern erst waren wir bei Freunden und haben über Rammstein diskutiert. Da war auch ein junger evangelischer Pastor dabei, der sich fürchterlich über Rammstein und vor allem über den Text von „Bück Dich“ aufgeregt hat. Er beklagte sich, daß in seiner Jugendgemeinde immer mehr Leute Rammstein hören und somit auf den falschen Weg kommen. Der Abend wurde länger und länger, sie tranken mehr und mehr – und irgendwann stellte sich heraus, daß der Pastor selbst der einzige in der Runde war, der diesen „Bück Dich“-Sex wirklich lebt und der es fast jede Nacht mit einer anderen Frau auf diese Art treibt.

Die Kirche, vor allem die katholische, hat ja selber genug interne Institutionen, die sich intensiv mit Rammstein-Themen beschäftigen: Inzest, Sünde und Bestrafung, der Teufel. Dagegen scheinen die antiautoritären Erziehungsmodelle der Post-68er, der evangelischen Gesprächskreise, auch wegen der Verleugnung der Existenz des Bösen gescheitert zu sein. Wie haltet ihr es damit, wenn ihr eure eigenen Kinder erzieht?

Till: Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Ich versuche, Rammstein und mein Privatleben so gut wie möglich zu trennen. Genau so ist das mit den Feuereffekten bei uns auf der Bühne. Ich bin kein Pyromane. Privat zündel ich nie. So wie sich Richard Musikequipment auf dem neuesten Stand der Technik besorgt, ist es mein Job, mich um die Pyroeffekte für die Show zu kümmern. Wir sind eine Band, die einfach ihren Job macht. Wer uns privat kennt, faßt es gar nicht, daß wir so nett sind. Wir sind ganz normal, wir machen unsere Arbeit wie Fischer, die morgens aus ihrer Hütte gehen, ihre Kinder küssen, aufs Meer fahren, aus der Tiefe die Fische mit den Netzen holen und abends wieder bei der Hütte anlegen. Deren Kinder fahren ab und zu mit raus, und auch unsere Kinder sind manchmal bei Konzerten dabei. Aber wenn sie zusehen, wie der Vater Fische erschlägt und sie ausnimmt, merken sie schnell: das ist Vaters Job. Wenn sie damit groß werden, können sie damit gut leben, weil sie die beiden Dinge trennen können.

Auf jeden Fall besser, als vor dem Kind zu verheimlichen, daß das Schnitzel auf dem Teller mal ein lebendes Schwein war, das geschlachtet wurde.

Richard: So wie das Kind einer Sexdarstellerin oder Schauspielerin vielleicht auch irgendwann einmal seine Mutter bei einer Sex-Szene im Fernsehen sieht und sich fragt, wo eigentlich Papa ist. Das wird damit auch umzugehen lernen.

Wenn jeder Künstler seinen wie auch immer gearteten Wahnsinn auch privat leben würde, dann gäbe es mit ziemlicher Sicherheit nur Kranke in den Charts. Aber: Helfen dir deine Texte wenigstens in deinem privaten Kampf gegen deine ureigenen, verborgenen Dämonen?

Till: Das kommt vor. Einsamkeit ist bei mir immer für einen kreativen Schub gut du trinkst noch ein Glas Wein und fühlst dich noch beschissener. Kunst kommt ohne Leid nicht aus. Kunst ist auch dazu da, das Leid zu kompensieren.

Als einer der erfolgreichsten Metal-Acts Deutschlands leidet ihr wahrscheinlich bald zu wenig, um eure Kunst weiter nähren zu können.

Till: Vor allem haben wir gar keine Zeit zum Leiden. Außer in den einsamen Stunden nach den Konzerten. Till: Da fühlt man sich richtig scheiße. Du spielst ein Konzert in Berlin vor 16.000 Leuten, fährst danach vom Proberaum mit dem Fahrrad nach Hause, weil die After-Show-Parties vielleicht auch nicht das Wahre sind, sitzt allein in deiner Bude und mußt wieder runterkommen. Das ist wie ein Kater.

In diesem Moment scheint eure Selbsthilfegruppe der alleinerziehenden Väter zu versagen.

Richard: Wenn du zwei Jahre lang ständig aufeinanderhockst, kennst du das ganze Gejammer auswendig.

Hartmut Engler von Pur sagt, er wolle auch beim 67. Gig noch das gesamte Gefühl in seine Texte legen.

Till: Klar- der weint dann immer.Quatsch! Das sagen sie alle! Vielleicht am Anfang, bei den ersten beiden Konzerten. Irgendwann wird das dann zur Betriebsblindheit. Als der „Seemann“ noch ganz frisch war, habe ich schon öfter einen Schauer verspürt. Später paßt man dann eher auf, daß die Intonation stimmt.

Bei vielen eurer Songs hört man Anleihen aus den Soundtracks alter Italo-Western. Wer ist eigentlich der eingefleische Ennio Morricone-Fan bei euch?

Richard: Das bin ich.

T/7/.- Er ist ein Freund alter Cowboy-Musik und -Filme.

In diesem Sinne ist Rammstein wie Karl May – man muß nicht selber morden, schänden und erniedrigen, um Texte über Zerfleischen, Kindesmißbrauch und Inzest schreiben zu können.

Till: Das ist aber genau der Punkt: Du redest so daher von „Zerfleischen, Kindesmißbrauch und Inzest“. Ich wünschte mir, man würde viel sensibler an solche Themen rangehen. Meine Tochter ist in einem Alter, indem ihr so etwas real passieren könnte – vielleicht schon übermorgen. Und deshalb nehme ich mir heraus, mir selber vorzustellen, wie das wäre. Ginge es um meine Tochter, würde ich so einem Täter wahrscheinlich schon ein Ei abschneiden wollen, ihn erschießen oder so. Andererseits kann ich mich aber auch in eine dunkle Ecke setzen und darüber nachdenken, was ihn dazu treibt. Und darüber, was mich dazu treibt, daß ich so einen Trieb nachvollziehen kann. Das sind die beiden Seiten dieser Sache: Auf der einen Seite die Vernunft, die Moral, mein ganz normales Leben – das steht für mich außer Frage. Aber dann setze ich mich hin, mache die Augen zu und denke darüber nach, wie ich zum Beispiel vorgestern dieser erwachsenen Frau gegenüber so ein Verlangen verspürt habe – warum soll so ein Verlangen nicht auch jemand haben, der gar nicht mal etwas dafür kann, weil er früher vielleicht selber mißbraucht wurde. Und vielleicht kann er es nicht einschätzen, was es bedeutet, dieses Verlangen auf ein Kind zu übertragen. Wo legst du die Wertigkeit an, wie willst du verurteilen?

Man erschrickt, wieviele Menschen in ihrer Kindheit mißbraucht wurden. Andererseits wirft man euch vor, daß es in euren Texten weniger um Krankheit und Moral geht als um das Problem, die Zerissenheit zwischen Vernunft und Trieb zu bewältigen.

Till:- Nein, nein. Krank ist krank, da gibt es keine Diskussion. Und wenn es nach normalen Maßstäben nicht krank wäre, brauchten wir keine psychiatrischen Kliniken mehr. Aber wichtiger ist die Frage, warum und wie es dazu kommt. Das interessiert sonst doch nur die Anwälte, die in der Kindheit ihrer Mandanten graben, damit sie auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren können. Ich habe ziemlich lange auf dem Land gelebt und mußte miterleben, wie ein Pferdeschänder auf der Dorfstraße fast gelyncht wurde – der tat mir richtig leid.

Die Grenze zwischen Alltag und Wahnsinn ist bekanntermaßen fließend. Schließlich passieren tagtäglich in den meisten Städten hinter jedem fünften Fenster die schlimmsten Dinge.

Till: Wenn’s reicht. Wahrscheinlich hinter jedem dritten. Und deshalb finde ich es traurig, daß Texte über Dinge, die eigentlich alltäglich passieren, soviel Staub aufwirbeln können. Wir hatten zum Beispiel auf Malta eine Listening Session mit Petra Husemann und Tim Renner von unserer Plattenfirma. Und bei der Zeile „mit dem eigen Fleisch und Blut sich paaren“ aus dem Song „Tier“ winkte Renner sofort ab – ein Fall für den Index, auf den in Deutschland alles kommt, was von Sex mit Tieren, Inzest, Geschwisterliebe und so weiter handelt. Ich verstehe das nicht – man kann sogar in der „Bild“-Zeitung die entsprechenden Statistiken nachlesen. Und trotzdem tun manche so, als würde es das alles nicht geben.

Und dann? Was habt ihr gemacht? Habt ihr den Text am Ende entschärft?

Till: Nö. Wir legen s drauf an.

Mich selbst hat Rammstein eigentlich nie interessiert, bis dann meine Frau irgendwann eure Platte immer wieder aufgelegt hat. Andererseits wird euch von Feministinnen schlimmster Sexismus vorgeworfen.

Richard: Wir hören immer wieder, daß es Frauen waren, die ihre Männer auf Rammstein gebracht haben. Petra Husemann, die Frau von Tim Renner (Rammsteins Plattenboß/Red.), die Freundin von unserem Manager Emu, viele Frauen und Freundinnen von Journalisten. Männer scheinen eher ein Problem mit uns zu haben als Frauen.

Das liegt ja vielleicht auch daran, daß ihr um einiges besser ausseht und viel mehr Muskeln habt als die allermeisten Medienmänner.

Richard: Das hat vor allem mehr etwas mit Kopf und Bauch zu tun. Rammstein macht vielen Männern Angst, weil sie in unseren Texten Eigenschaften oder Charakterzüge wiedererkennen, die sie selber in sich tragen, die sie aber verdrängt haben.

Du meinst also, ihr haltet den Männern so etwas wie einen Spiegel vors Gesicht. Einen Spiegel, in dem sie dann völlig unvermittelt und plötzlich das Tier in sich sehen können?

Richard: Das Tier, sicher. Ganz viele Sachen. Eine Art Machohaftigkeit, wenn wir vom „Wildern im Revier“ singen.

Till: Der Sexismus, der uns vorgeworfen wird, ist für uns mehr ein in Schutz nehmen der Frau.

Tut mir wirklich leid, aber jetzt kann ich nicht folgen. Das verstehe ich nicht.

Till: Uns geht es darum, die Gefühle der Frau zu verstehen, und das dann so extrem aufzuzeigen, wie es eigentlich ist. Gestern hat uns ein Journalist gefragt, warum wir keine Liebeslieder schreiben. Liebe, das ist doch nur dieser eine kurze Moment. Aber danach, da fängt doch erst die Arbeit an. Das fortwährende Elend: sich finden, verlieben, eine Zeit lang sich aushalten, dann durchhalten, und schon geht alles wieder von vorne los.

Glaubt ihr, daß ihr von den Frauen mehr versteht als von den Männern?

Till: Nein, überhaupt nicht.

Vielleicht könnt ihr euch aus diesem Grund nicht vorstellen, daß Mann und Frau dauerhaft miteinander glücklich sein können.

Till: Ich kenne keine intakte Beziehung. Ein oder zwei vielleicht, aber da sind die Umstände nicht normal – die sehen sich ziemlich wenig. Ich rede von dieser Sache: morgens aus dem Haus gehen und abends die Kinder ins Bett bringen. Wo sind da noch die Theaterbesuche, wer bringt da noch Blumen mit? Dieses Verliebtsein, der Geliebten Blumen mitzubringen – irgendwann ist damit immer Schluß.

Deshalb auch das entschiedene „Nein“ zum weiblichen Heiratswunsch auf eurer neuen Single „Du hast“?

Till: „Willst du bis der Tod euch scheidet…‘ -das ist doch genauso unnatürlich wie ein Tattoo auf dem Arm. Das geht bis zum Rest meines Lebens nicht mehr raus. Irgendwann sitze ich als Rentner mit meinem Enkel auf dem Schoß und der fragt, was ich da für ein albernes Ding auf dem Oberarm habe.

Ganz ohne Frauen scheinen Rammstein aber doch nicht leben zu wollen. Immerhin habt ihr jetzt eine Hymne auf das primäre weibliche Geschlechtsorgan aufgenommen. Was sagt ihr im Proberaum, wenn ihr diesen Song spielen wollt?

Till: Manchmal sagen wir schon „Jetzt spielen wir die Fotze!“ Das ist es doch, was du hören wolltest?

Der Songtitel „Küß mich, Fellfrosch“ klingt da schon um einiges zärtlicher.

Till: Fellfrosch – allein das Wort ist schon eine Hommage an diesen Körperteil. Das ist eine schöne, kindliche Sichtweise: Fell steht für kleine, pelzige Tierchen. Hamster, Meerschweinschen und so. Und Frosch oder Schnecke sorgt für den zweiten Teil. Faszination und Ekel, beides spielt da eine Rolle.

Vielleicht ist der Ekel vor dem bitteren Beigeschmack in Wirklichkeit ja nur ein Problem von allzu nachlässiger Intimhygiene?

Richard: Geschmack ändert sich auch. Vieles, was uns in der Kindheit zu bitter vorkam, schmeckt uns heute gut. Dagegen finden wir die Bonbons von früher jetzt meist zu süß. Jeder Fellfrosch schmeckt anders. Reine Geschmacksfrage. Es ist in dem Text ja auch keine Wertung. Wir sagen ja nicht, daß es stinkt.

Feministinnen werden den „Fellfrosch‘ nicht so differenziert sehen. Das wird Ärger geben.

Till: Hoffentlich! Das ist doch wieder das gleiche Thema wie vorhin: Es geht um eine Sache, die völlig selbstverständlich ist und die jeder kennt. Das ist doch das Normalste auf der Welt. Übertriebener Feminismus dagegen ist ein Armutszeugnis. Und wenn sie sich darüber dann aufregen, ist das für mich letztlich nur ein Beweis dafür, daß sie keinen Humor haben. Neulich hat mir erst wieder jemand einen Witz über einen Vierzig-Zentimeter-Pimmel erzählt. Es war eine Frau.