4 Jazz – eine Musik und ihre Geschichte von Ken Burns und Geoffrey C. Ward :: Miles & more
Im vergangenen Jahr sorgte in den USA eine zehnteilige TV-Serie über die Geschichte des Jazz für Aufsehen: „Ken Burns Jazz: The Story Of America’s Music“ ist nach Ansicht ihres Regisseurs und Produzenten Ken Burns die umfassendste Dokumentation, die je zum Thema Jazz zusammengestellt wurde. Das im Zuge der Fernseh-Doku entstandene Buch ist zunächst mal ein wirkliches Fest für die Augen, weil mit über 500 Fotos und Faksimiles äusserst opulent und einfallsreich bebildert. Viele dieser Abbildungen dürften auch ausgesprochen Jazz-Belesene zuvor noch nicht gesehen haben. Das Buch schildert die Entwicklung des Jazz von seinen Anfängen am Mississippi, von den Bands auf den Vegnügungsdampfern und in den Puffs in Storyville, über den Boom des Swing und der Bigbands bis in die Gegenwart – das tun andere Bücher auch. Was das Werk von Burns und Ward speziell macht, ist der unerhörte Reichtum an kleinen Histörchen, die sie im Laufe der sechsjährigen Arbeit an ihrer TV-Doku gesammelt haben. Sie gibt ihrem Erzählen einen ganz anderen, viel lebendigeren Charakter als den meisten anderen Jazzchroniken. Hier geht es nicht so sehr um die Theorie, hier geht es vor allem auch um den Jazz als Lebensweise. In diese Chronologie sind nicht nur kurze anekdotische Biografien eingeschoben, sondern auch ein Interview mit Wynton Marsalis und Essays von Star-Kritikern wie Dan Morgenstern, Gary Giddins und dem konservativen schwarzen Publizisten Stanley Crouch. Auf diese Weise entsteht eine epische Darstellung nicht nur des Jazz, sondern überhaupt der Geschichte der USA im 20. Jahrhundert. Das Vergnügen daran wird allerdings gelegentlich durch aufdringliches patriotisches Pathos und eine nicht immer sattelfeste Übersetzung getrübt. Und außerdem zeigt sich einmal mehr, dass Geschichtsunterricht immer subjektiv und nie ideologiefrei ist: Die Zeit bis zur Entwicklung des Bebop durch junge Hipster um Charlie Parker in den frühen 40er Jahren, also bis zur Geburt dessen, was man später als „modernen Jazz“ bezeichnete, nimmt hier zwei Drittel ein. Alles Spätere, also so bedeutsame Entwicklungen wie der Cool Jazz, der Hardbop, die Free-Jazz-Phase und die Umwälzungen durch den Jazzrock, kommt quasi als Nachschlag. Die Sympathien von Burns und seinen Mitarbeitern liegen damit arg einseitig beim Traditional Jazz.
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