801 – Live

Drei Auftritte hat die sporadisch zusammengestellte Gruppe „801“ in England nur gemacht, darunter einen aufsehenerregenden auf dem Reading Festival 1976. Der letzte Gig am 3.9. 1976 in der Queen Elizabeth Hall wurde live mitgeschnitten. Gottseidank, sonst wäre uns eines der interessantesten Musikprojekte verlorengegangen. So aber ist 801 LIVE eine der besten Produktionen seit langem, und für mich die beste LP des Jahres 76 überhaupt.

Und das sind die Mitspieler: Urheber und Gitarrist Phil Manzanera von Roxy-Music; sein Ex-Kollege Eno (Keyboards, Synthesizer, Gitarre und Gesang); Schlagzeuger Simon Phillips; Francis Monkman, Ex-Curved Air (Klavinett und Fender Rhodes); Bill McCormick, Ex-Matching Mole und Quiet Sun (Baß und Gesang).

Verständlicherweise stammen die Kompositionen entweder von Eno’s oder Manzanera’s Solo-LPs oder von Manzanera’s frühere Gruppe Quiet Sun. Aber ebensowenig sind sie Verlegenheitsfüller wie die beiden Fremd-Kompositionen „Tomorrow Never Knows“ von den Beatles und „You Really Got Me“ von den Kinks. Denn was 801 aus diesen alten Titeln rausholt, ruft Verblüffung hervor. Selten habe ich eine so ungewöhnliche und zugleich stimmige Bearbeitung von Fremdtiteln gehört. Damit bin ich mir auch nicht mehr so klar, ob ich nun das Original oder die Coverversion lieber mag. Das große Plus von 801 heißt Freude am Experiment und an Entdeckungen; die Band spielt absolut abenteuerliche Musik. Allerdings hat das Neuland, das sie hier betritt, einen sehr festen, guten Boden aus hartem Rock’n’Roll. Die mächtige und zugleich melodiöse Rhythmussektion mit einem satten und weichen Baß, die klaren, bisweilen jazzigen Gitarrenläufe und die monotonseriellen Elektronikmuster, das alles besitzt eine so intensive Energie.

Daß nun ausgerechnet eine so begabte und frische Formation nur kurzfristig arbeitet, während andere sich mühsam über die Jahre retten, ist natürlich schade. Andererseits, und das ist eben das Verzwickte daran, wurden vielleicht gerade deshalb Kreativität und Unbefangenheit ausgelöst, weil keiner der Musiker den Druck von Zukunft, Namen, Image und Markt spürte.