Achim Reichel – Der Klabautermann

„Maritime Folklore – Shanties -, mit Rockelementen aufgemöbelt? Wenn dat man geit!“ war mein erster Gedanke, als ich vor Jahresfrist Achim Reichels „Shanty Alb’n“ in der Hand hielt und Songtitel wie „Wir lagen vor Madagaskar“ oder „Rolling Home“ auf dem Rückcover las. Wie sich herausstellte, ging es doch: locker vom Hocker, ohne Matrosenanzug und „Gorch Fock“ im Hintergrund. Auch diesmal hat Achim alles gut vertäut und das Konzept noch erweitert .

Wieder gibt es zwei waschechte Shanties; „Wir lieben die Stürme“ (ein Traditional) braust ab wie‘ ne Ankerwinch, und bei „Halla Ballu Ballay“ läßt Tommy Wild ( einer aus Achims Crew) die Geige schluchzen. „Halla Ballu Ballay“ ist selbstgestrickt. Noch besser aber gelang die Komposition des Titelstücks: der Rockrhythmus „stampft“ wie ein Schiff in schwerer Dünung, eine Querflöte heult heiser wie der Südwest, und markige Gitarrenriffs bringen Spannung – der Klabautermann glubscht durchs Bullauge und holt einen Seemann ins nasse Grab. Das nächste Stück auf Seite 1 fetzt noch mehr: „Feuer! Feuer! Alles brennt wie Stroh. Hol’n Eimer Wasser! He – Füer down below!“ Der Gesang überschlägt sich fast, dazu hämmert ein Little-Richard-Klavier wie verrückt puren Rock’n‘ Roll.

Musikalisch besinnlicher ist „Das Störtebeckerlied“. Achim Reichel hat hierzu einen plattdeutschen Text aus dem 15. Jahrhundert ausgegraben, der die traurige Geschichte des Freibeuters erzählt, der 1402 auf dem Hamburger Marktplatz enthauptet wurde. Eine weitere Fundsache ist das Christian Morgenstern-Gedicht „Sophie, mein Henkersmädel“. Als etwas brutaler Blues vertont, bringt der Song die gespenstische Stimmung des Gedichts gut zum Ausdruck. Bei keinem der Stücke kommt Flaute auf, und die Platte ist keineswegs nur für Seebären geeignet, sondern auch, für Leute, die ’n Palsteg nicht von einem Rumpsteak unterscheiden können.