Afghan Whigs – Black Love

Greg Dulli läßt von Beginn an keine allzugroßen Zweifel darüber, worum es auf BLACK LOVE geht: „Tonight I say goodbye/ To everyone who loves me/Stick it to my enemies/Then I disappear.“ Und schon da wird klar: Die vier Herren, die zusammen die Afghan Whigs bilden, sind auf dem direkten Weg zu gewandten Schmerzensmännern. Auf dem sechsten Album stellt das Quartett aus Ohio die Verzweiflung endgültig ins Zentrum allen musikalischen Schaffens. Das bedeutet Sequenzen voller quälender Schönheit, Ausbrüche klirrender Wut und die Heftigkeit selbstquälerischer Todessehnsucht verschmelzen auf BLACK LOVE zu einer rasenden Klage gegen die grinsenden Geister der Einsamkeit und der fiesen, nagenden Trauer. Greg Dulli, Sänger, Gitarrist und Songschreiber der Band, beherrscht diese Gefühlsskala wie ein trostloser Dompteur („My Paranoia Got The Best Of Me“), und rettet das Sentiment des Verlierers durch jeden auch noch so gewaltigen Gitarren- und Lärmsturm, den seine Band entfachen kann. Der Rock der Afghan Whigs klingt wie die anfallartige Wut auf die eigene Untätigkeit, die Depression und fällt nach hechelnder, manischer Hetze trotzdem immer wieder in Phasen nervös zirpender (Un-)Ruhe zurück. Seit dem genialen CONGREGATION-Album aus dem Jahr 1992 hat die Band genau diese emotionale Dynamik bis heute perfekt weiterentwickelt. Innerhalb eines Songs rast der Sound von verhaltener Stille bis zu rasendem Zorn und wieder zurück, und das alles nur durch den Einsatz wachsender und abnehmender Intensität: Als ob eine unsichtbare Gefühlswallung wie eine nächtliche Sturmflut durch den Song rauscht. Greg Dullis Stimme kämpft sich durch diese Flut, flucht mal böse, wispert mal matt, treibt sich zwischen den Akkorden herum wie das irrlichternde Fanal irgendeines drohenden persönlichen Zusammenbruchs, und nur manchmal setzt es ein kurzes, fremdes Lächeln: „I Came Home Early Drunk With Love“ – aber auch die Liebe nutzt natürlich gar nix am Ende. Zusammen mit dem Bassisten John Curley, dem Leadgitarristen Rick McCollum und den neuen Drummer Paul Buchignani hat Dulli auf BLACK LOVE alles in allem ein kleines Kompendium fieser Seelenzustände verfaßt, das andererseits schon wieder tröstlich wirkt. Denn es zeigt: Andere haben’s eben auch nicht leicht. Daß die Afghan Whigs trotz ihres rauhen, ungehobelten Umgangs mit Rock nie zur Grunge-Fraktion gehörten, zeigt sich heutzutage übrigens auch mehr als deutlich: Die Band mit Wahlheimat Kalifornien ist viel zu sehr auf sich selbst fixiert, um sich für irgendwelche gängige Slogans zu interessieren. Stattdessen spürt sie unverdrossen der Macht der Gefühle und der Wucht der Akkorde nach.