Andy Partridge – Fuzzy Warbles – Collector’s Album
Wir müssen uns Andy Partridge als glücklichen Menschen vorstellen (wenn wir überhaupt versuchen, uns so einen vorzustellen]: Erstens hat er eine der klügsten, tollsten und wichtigsten Popbands aller Zeiten gegründet – sie heißt oder hieß XTC, und wer irgendwas mit der britischen Musik der letzten Jahre zwischen Bloc Party und Futureheads (oder, nebenbei bemerkt, Blur] anfangen kann, sollte wenigstens ihre ersten drei Platten kennen (ach was, das sollte jeder anständige Musikinteressierte]. XTC nannte man „die Beatles der New Wave“, aber sie hatten nie so viel Erfolg wie die Beatles des Beat, was auch damit zu tun hatte, dass sie noch wesentlich verschrobener und linksherumwitziger waren als diese und das Livespielen zu früh aufgaben. Aber mit gutem Grund: Andy Partridge litt und leidet unter einer besonders schlimmen Form der Bühnenangst, und weil das die blöden Plattenfirmenleute nicht einsehen wollten, dauerte es Jahre und Jahre, bis XTC wieder ein Album machen durften, das APPLE VENUS hieß und, weil es gar so lange gedauert hatte, bei aller (im wahrsten Sinnel umwerfenden Schönheit fast (!] ein bisschen zu perfekt geraten war. Das sah vielleicht auch Andy Partridge so, und da beschloss er, die vielen Aufnahmen, die über die Jahre in der Scheune im Garten hinter seinem Haus entstanden waren (Gründe fürs Glück, Teil zwei], durchzuwühlen und Platten daraus zu machen. Und was für Platten: Acht Schatzkisten voll mit genialen Skizzen, wunderbaren Songs, ausgefüppten Ideen, die alle irgendwie Partridges ungefährer Anleitung zum Songwriting folgen: „falsch“ denken, aus dem Normalen heraushechten (mit dem Fallschirm etablierter Formen auf dem Rucken], die Vergangenheit zerspreißeln zu Brennmaterial für die Zukunft. Neugierig sein, lachen und fühlen. Sich daran erinnern, dass Hekatomben von fortschrittlichen Technikkisten niemals den wahnwitzigen urmusikalischen Funken ersetzen können, der zündet, wenn man als Kind das erste Mal mit hölzernen Stricknadeln auf dem Gasofen herumklopft und das entstehende Geräusch verlangsamt abspielt. [Die Stricknadeln liegen immer noch in Andys Scheune, und ich wette, da stehen irgendwo auch die alten Monkees-Platten, die ihn davor bewahrt haben, seinen Horizont mit der üblichen Beatles/Stones-Diät zu beschränken.] Diese acht Schatzkisten, jede für sich bis ins kleinste Detail der Briefmarkencovers kunst- und liebevoll gestaltet, ruhen jetzt in einer veritablen Schatztruhe, mit einer Zusatzpackung „Hinges“ und dem Beiheft „Hit Record And Play – Or A Brief History Of Home Sound Capture“, und schon diese Automusikbiografie blitzt und funkt nur so vor hintersinnigem und liebenswertem Witz, dass sie den Erwerb der ganzen Schachtel rechtfertigte, wenn sie halt nicht gar so kurz wäre. Ach, wollte er doch weiter und immer weiter erzählen … Das tut er immerhin mit den Songkommentaren in den Booklets, die, ebenso wie die Songs selbst und am besten kombiniert, wirken wie ein verlässliches, sortenreines Stimulans. Dosierungsanleitung: Jeden Morgen nach dem Aufstehen einen beliebigen Track anhören (am besten wirklich nur einen – die Packung reicht für fast ein halbes Jahr!], den Kommentar dazu lesen und schauen, was daraus für ein Tag wird. Und das wilde, witzige, irre, bunte, große, unergründliche Leben genießen, das auf diese Weise entsteht.
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