At The Drive-In: München, Backstage :: Hardcore mit Hirn

Das kann eigentlich nicht funktionieren, guter Mann. Cedric Bixler nutzt die Zeit, die At The Drive-In zwischen Songs manchmal brauchen, um Gitarrengurte und Kabel zu entwirren, dazu, die besonders erdbebengefährdeten vorderen Reihen im bis in die letzte Ritze mit Parkatragendem, Button-beheftetem Volk angefüllten Backstage zur Mäßigung aufzurufen. „Ich möchte das klarstellen“, sagt er höflich, aber bestimmt. „Wir wollen keine Macho-Mosh-Scheiße hier. Niemand soll Angst haben müssen. Ihr könnt hüpfen, aber bitte nicht nach vorn drängen.“ Wir sind hier nicht bei Papa Roach. Der Ruf einer Hardcore-Band mit etwas anderen Spielregeln ist den fünf eigensinnigen Texanern vorausgeeilt. Aber eben auch der der kompromisslosesten Live-Band seit den frühen Nirvana – völlig zu Recht, wie dem baffen Publikum klar ist, seit ihnen die Band mit dem Opener „Arcarsenal“ förmlich ins Gesicht explodiert ist.

So wirkt Bixler mit seinen stechenden Augen unter dem enormen Afro wie ein Typ, der in der Streichholzfabrik Reden über Brandschutz schwingt, um im nächsten Moment wieder seinen Flammenwerfer anzuschmeißen: Schon krümmt er sich wieder kreischend am Boden, stranguliert sich fast mit seinem Mikrokabei, während er mit spitzer Stimme seine abstrakten Text-Blöcke ausspuckt und Gitarrist Omar-dessen Afro seinen Kopfumfang circa verachtfachen dürfte – seine Stratocaster lebensgefährlich durch die Luft wirbelt. Ein Schauspiel. Dabei wird hier keine Kaspermucke gespielt: Durch jahrelange Ochsentouren gestählt, pressen Bixler, Omar, Gitarrist und Keyboarder Jim, Drummer Tony und Bassist Paul komplexe, knochentrockene Punk-Hardcore-Wummen wie „One Armed Scissor“ und „Invalid Litter Department“ sotight in die Boxen, dass das Zusammenreißen in der Moshpit schwierig wird. Da kreist dann mal ein einsamer Crowdsurfer über der Menge – Bixler hält inne und blitzt den Nassforschen so lange böse an, bis er abtaucht.

Am Ende Ist das Him gefüttert, der Arsch gut durchgeschüttelt, die Ohren klingeln – und keiner hat sich weh getan. Nur die Band selber knickte fünf Tage später ein: Nach ihrem Konzert in Groningen brachen At The Drive-In nach Monaten on the road und mit Grippe am Hals ihre Europa-Tour ab. Wegen „physischer und psychischer Erschöpfung“. Gute Erholung.

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