Backkatalog

MARC BOLAN

MARC BOLAN AT THE BBC

Polydor/Universal

Bis dato umfangreichste Auswertung der Musik des Glam-Rockers aus den Archiven der BBC.

Marc Bolans erste BBC-Retrospektive ACROSS THE AIRWAVES datiert zurück auf das Jahr 1982 -fünf Jahre nach seinem tödlichen Autounfall im Alter von gerade mal 29 Jahren. Im Laufe der Jahrzehnte wurden regelmäßig weitere Compilations mit Unveröffentlichtem aus den Archiven nachgelegt: BBC RADIO LIVE IN CONCERT (1993), THE PEEL SESSIONS (1994), A BBC HISTORY (1996), THE BBC RECORDINGS 1970-1976 (1997) und BOLAN AT THE BEEP (2007). Wer glaubt, damit seien nun sämtliche Schätze gehoben, der irrt. Jetzt kommt die 6-CD-Box MARC BOLAN AT THE BBC mit 117 Tracks. Erst kürzlich entdeckte „BBC Transcription Discs“ finden sich ebenso als Quelle wie erstaunlich gut erhaltene Fundstücke aus Privatarchiven mit Aufzeichnungen von Tonbandgeräten und Kassettenrekordern. Unterm Strich ergibt das 16 bislang nicht auf Tonträger veröffentlichte Aufnahmen von Tyrannosaurus Rex, mehr als 20 von T. Rex. Hinzu kommen zwölf zuvor nie publizierte Interviews. Eröffnet wird die Werkschau mit vier Songraritäten von Bolans Kurzintermezzo als Mitglied der Freak-Beat-Band John’s Children. Radioshows der Folk-Akustikphase im Duo Tyrannosaurus Rex mit zuerst Steve Took, dann Mickey Finn als Perkussionisten im Zeitraum von 1968 bis 1970 nehmen die beiden ersten CDs in Anspruch. Darunter auch der komplette Mitschnitt IN CONCERT vom 1. Januar 1970. Bolans Übergangsphase vom Folk-Underground zum vollelektrifizierten androgynen Teenidol mit Band ist auf den CDs drei und vier nachzuhören. Rarem wie „My Baby’s Like A Cloud Form“ und „Sailors Of The Highway“ stehen die in Reihe geschalteten Chartssuperhits „Ride A White Swan“,“Hot Love“,“Get It On“, „Jeepster“ und „Telegram Sam“ gegenüber. Nach den knackigen Cosmic-Boogie-Hymnen „Children Of The Revolution“,“Solid Gold Easy Action“ und „20th Century Boy“ ging es abwärts mit der Karriere des 1,60 Meter kleinen Londoners. Allzu formelhaft gerieten Songs wie „The Groover“, „Truck On (Tyke)“ und „Light Of Love“. Mit Produktionen im Phillysoul-Stil wie „Teenage Dream“ und „Black Jack“ unter dem Pseudonym Big Carrot gelangen ihm geschmackvolle Stilmixe. Marc Bolans letzte Aufzeichnung für die BBC mit „Celebrate Summer“ datiert auf den 19. August 1977 – einen Monat vor seinem tragischen und frühen Tod.

*****1/2 Mike Köhler

THE BOOMTOWN RATS

BACK TO BOOMTOWN: CLASSIC RATS HITS

Mercury/Universal

Die Iren um Bob Geldof galten mal als Punk – dabei mischten sie Rock mit Reggae, Pop mit Rhythm’n’Blues.

Sie kennen das vielleicht: Man hört nach vielen Jahren erstmals wieder irgendwelchen alten Kram, den man mal gut fand – und denkt sich kopfschüttelnd: „Ogottogott, was soll daran so toll sein?“ So kann’s gehen, wenn man anlässlich der x-ten Best-of-Kompilation dieser irischen Rasselbande um Bob Geldof pflichtschuldigst die alten Platten aus dem Regal kramt und durchhört. Immerhin: Dem Debüt von 1977 -hier mit „Mary Of The 4th Form“,“Neon Heart“, „Lookin‘ After No. 1“ und „Joey’s On The Street Again“ vertreten – kann man heute noch lauschen, ohne rot zu werden, auch das Folgealbum A TONIC FOR THE TROOPS hat seine Momente („Rat Trap“; „She’s So Modern“,“Like Clockwork“). Obwohl anfangs als Punk (!) gehandelt, klingen die besten Boomtown-Rats-Songs wie ein rotziger Mix aus Kinks und Springsteen, circa BORN TO RUN. Das schon erwähnte „Joey’s On The Street Again“ etwa ist ein reines E-Street-Band-Rip-off, aber toll. Es folgten: das notorische „I Don’t Like Mondays“, das noch viel schlimmere „Banana Republic“, Belanglosigkeiten, wohin man hörte. BACK TO BOOMTOWN: CLASSIC RATS HITS enthält 16 Tracks aus allen Bandphasen, das Sequencing folgt keiner Chronologie, man hört viel Manierliches, allerlei Mediokres und manch Missratenes.

*** Peter Felkel

DIVERSE

THE SUN BLUES BOX THE SUN ROCK BOX

Bear Family Records

Aus der Geburtsklinik der populären Musik: Richard Weize dokumentiert das Vermächtnis des Sam Phillips.

Es ist hin und wieder nicht falsch, an die Geburtsjahre dessen zu erinnern, was wir heute Pop nennen. Man darf dazu Country, Blues und Rock sagen, wie wir jetzt auf den Covern der Sun-Records-Boxsets lesen können, die Richard Weize über Bear Family im gewohnt liebevollluxuriösen Outfit veröffentlicht. Den Anführer dieser mordsmäßigen Trilogie (THE SUN COUNTRY BOX) hatten wir bereits in der Juli-Ausgabe besprochen, die jetzt folgenden acht bzw. zehn CDs starken Rock-und Blues-Zusammenstellungen erzählen dieselbe Geschichte einer Kulturrevolution nur aus marginal veränderten Perspektiven. Was Sun-Chef Sam Phillips seit den frühen 50ern auf seinem Label veröffentlichte, war der Siegeszug einer wild hin-und herwogenden Amalgamierung aus bis dato „black“ und „white“ zugeordneten Stilen, die noch gar keine Etiketten kannten. Diese Schreie aus der Geburtsklinik des Pop dürfen wir natürlich den Großen zuordnen (B. B. King, Howlin‘ Wolf, Ike Turner auf der Blues-Box, Elvis, Carl Perkins, Roy Orbison, Jerry Lee Lewis auf der Rock-Box), aber es gibt auch Stücke von Charlie Rich, der in einer High-School-Band als Saxofonist begann, mit seinen ersten Aufnahmen scheiterte -„zu jazzorientiert“ – und viel, viel später ein Country-Star wurde. Wir hören unbekanntere Musiker wie Malcolm Yelvington, der schon als Swinger auf der Country-Box auftauchte. Oder den obskuren Rock’n’Roller Curtis Hobock mit dem Song „Apron Strings“, den Elvis etwas später in einer Homerecording-Session aufzeichnete und nicht veröffentlichen wollte. Rock’n’Roll = Country = Blues = Sun. Die Einswerdung mit dem Universum des Sounds ist bis in die Differenzierungsanstrengungen des Pop und dessen Post-Post-Versionen hörbar. Wer die Erstausgaben der Boxsets aus den 80ern kennt, wird die Neuveröffentlichungen als Updates (Liner Notes, Fotoauswahl) begrüßen.

***** Frank Sawatzki

FLEETWOOD MAC

THEN PLAY ON

Warner/Reprise/Rhino

1969 war Bluesrock noch kein Schimpfwort -und Fleetwood Mac noch eine völlig andere Band.

Reden wir nicht lange drum herum: THEN PLAY ON, Fleetwood Macs drittes Album, ist mit Abstand ihr bestes -sagen Sie jetzt nicht: RUMOURS -, womöglich auch das beste des britischen Bluesrock-Booms der 60er-Jahre. Der Grund dafür ist: Peter Green. Zwei Alben, PETER GREEN’S FLEETWOOD MAC und MR. WONDERFUL (beide 1968), benötigte das Quartett, zu dem neben Sänger und Gitarrist Green noch Mick Fleetwood (Schlagzeug), John McVie (Bass) und Jeremy Spencer (Gitarre) gehörten, um vom Epigonalen zum Epochalen zu gelangen. THEN PLAY ON war ihre erste LP, die ausschließlich Eigenmaterial enthielt und auf der sie das Kunststück fertigbrachten, nicht in tradierten BluesFormeln zu erstarren, vielmehr jegliches Klischee zu vermeiden -und doch so authentisch zu klingen wie keiner ihrer Zeitgenossen. Gewiss, es gab schon in jenen frühen Tagen den bald notorisch werdenden Hang zu drogeninduzierten Schrullen und Eskapaden. Vor allem Peter Green wurde immer wunderlicher, doch waren seine Songwriting-Skills noch intakt, sein Gitarrenspiel ein reines Wunder, und mit Neuzugang Danny Kirwan (Gitarre) stand ihm ein kongenialer Partner zur Seite. Die Songs, allesamt formidabel geraten, schleichen und schweben oft, können aber auch mitreißend rocken und rollen. Die Neuauflage enthält endlich wieder alle Tracks des UK-Originals in korrekter Reihenfolge und Länge und glänzt überdies mit vorzüglichem Klang, profunden Linernotes von David Fricke und Bonustracks, etwa „Oh Well“ und „The Green Manalishi“.

***** Peter Felkel

GENTLE GIANT

MEMORIES OF OLD DAYS

Chrysalis/EMI

Ein Sammelsurium aus Live-Takes, Probenaufnahmen, Demos und Interviews aus der zweiten Karrierephase des britischen Progrock-Quintetts.

Bisweilen kommt es doch aufs Kleingedruckte an: „A compendium of curios, bootlegs, live-tracks, rehearsals and demos 1975-1980“ lautet der Untertitel dieser 5-CD-Box. Dass solches dieser Veröffentlichung tatsächlich Hörer über Gentle-Giant-Nerds hinaus verschafft, darf bezweifelt werden. Wer sich als Unbedarfter dem Schaffen der britischen Progrocker nähern möchte, deren Jazzinformierter, avantgardistischen Anwandlungen nicht abgeneigter Stil weit näher an The Soft Machine und Van der Graaf Generator war als an Yes und Genesis, dem seien die frühen Vertigo-Alben empfohlen: ACQUIRING THE TASTE etwa, OCTOPUS oder IN A GLASS HOUSE, zwischen 1971 und 1973 erschienen, denn diese Klasse sollten die Gebrüder Shulman und ihre diversen Mitstreiter nie mehr erreichen. Womit wir beim Problem von MEMORIES OF OLD DAYS wären: Denn wer außer dem Hardcore-Fan möchte schon „instrumental backing tracks“, „instrumental hammond hi notes“, Streicher ohne Backing-Band, Demos oder Work-in-progress-Studien hören, wenn die Tracks, die daraus letztlich entstanden, 1. einem herzlich egal und 2. auch nicht gut sind? Als Oasen in dieser Wüstenei mögen diverse Live-Takes dienen, derer man freilich auch bald müde wird. Aber seien wir fair, zumindest bei der Bewertung:

*** (für Fans) * (für alle anderen) Peter Felkel

NIRVANA

IN UTERO – 20TH ANNIVERSARY EDITION

Geffen/Universal (VÖ: 24.9.)

Alternative Rock: Kurt Cobains musikalisches Vermächtnis in vier Jubiläumseditionen – von der schnöden Einzel-CD bis hin zur „Limited Super Deluxe Edition“ mit drei CDs und einer DVD.

Mit gerade mal drei Studioalben fällt die Diskografie von Nirvana alles andere als üppig aus. Zur ewigen Legendenbildung um die Band aus Seattle, Washington, hat der spärliche musikalische Output trotzdem ausgereicht. IN UTERO, das dritte und finale Album, das ein halbes Jahr vor Kurt Cobains Selbsttötung herausgebracht wurde, muss sich seit seiner Veröffentlichung im September 1993 mit dem weltweit mehr als 30 Millionen Mal verkauften Vorgänger NEVERMIND messen lassen. Mit immerhin zwölf Millionen verkauften Exemplaren ist IN UTERO nicht unbedingt als kommerzieller Rohrkrepierer zu bezeichnen. Aber eben auch nicht ganz auf gleicher Augenhöhe mit NEVERMIND -nicht nur kommerziell, sondern auch was die Musik betrifft. Das war allerdings durchaus beabsichtigt. Verzichteten Gitarrist, Vokalist und Songschreiber Kurt Cobain, Bassist Krist Novoselic und Schlagzeuger Dave Grohl doch bewusst auf einen allzu geglätteten Sound und auch auf gefälliges Songmaterial. Das Credo: zurück zu den Wurzeln, was stellenweise sehr schmerzhafte Ergebnisse zeitigte. Als Produzenten heuerten Nirvana Steve Albini an. Der ehemalige Frontmann von Big Black war unter anderem für die Aufnahmen des Albums SURFER ROSA der Pixies verantwortlich. Wochen nach den Aufnahmen allerdings zeigten sich Nirvana unzufrieden mit Albinis Arbeit. Seinen finalen Mix ließ die Band von Scott Litt überarbeiten, der einige Veränderungen vornahm und die eingängigen Titel „Heart-Shaped Box“ und „All Apologies“ auf Single-Format mixte. Letztendlich klang IN UTERO (ursprünglich geplanter Titel: „I Hate Myself And I Want To Die“) wie ein Kompromiss, ein Mittelding aus dem Nirvana-Debütalbum BLEACH und NEVERMIND: Der Opener „Serve The Servants“ versteht sich ebenso als bissiger Kommentar auf die Erfolgsmechanismen des Showgeschäfts wie „Radio Friendly Unit Shifter“. „Scentless Apprentice“, das inspiriert von Patrick Süskinds Roman „Das Parfum“ ist, röhrt infernalisch. „Rape Me“ ist ein fernes Echo von „Smells Like Teen Spirit“. Den damaligen Boom an kurzen Songtiteln konterkariert „Frances Farmer Will Have Her Revenge On Seattle“. Ein Hauch Beatles der RUBBER SOUL-Ära umgibt „Dumb“. Die Punk-Wurzeln Nirvanas klingen in „tourette’s“,“Milk It“ und „Pennyroyal Tea“ an.

Zum 20-jährigen Jubiläum der Albumveröffentlichung gibt es Kurt Cobains musikalisches Vermächtnis in vier Formaten, darunter die Standard-CD, eine 2-CD-Deluxe-Edition und eine 3er-LP-Box. Besonders üppig sind die Zugaben aus den Archiven auf der „Limited Super Deluxe Edition“ mit Albini-Mixen, B-Seiten, Demoaufnahmen, dem ursprünglichen Hidden Track „Gallons Of Rubbing Alcohol Flow Through The Strip“, dem erst kürzlich entdeckten Instrumental „Forgotten Tune“ sowie dem kompletten 2013er-Mix von IN UTE-RO. Weitere Beigaben: der Konzertfilm „Live & Loud: Live At Pier 48, Seattle, WA – 12/13/93“, im Video-und im Audioformat, sowie diverse rare Clips (u. a. Promovideos und Aufnahmen von Nirvana-Auftritten in TV-Shows).

***** Mike Köhler

Story S. 61

SLY & THE FAMILY STONE

HIGHER!

Sony Legacy/Sony Music

Ein essenzieller Einblick in die musikalische Welt des Sly Stone mit Pop, Rock, Jazz, Soul, Funk und Psychedelia auf vier CDs mit 77 Songs – davon 17 bisher unveröffentlicht.

Als Synonym für maßlose Drogenexzesse, überspannte Egomanien, gruppeninterne Dysfunktion und chronische Unzuverlässigkeit galten Sly &The Family Stone schon seit Anfang ihrer Karriere. Als das Septett 1967 in San Francisco aus der Fusion zweier Bands der Brüder Sly und Freddie Stone hervorgegangen war, überraschte vor allem der nahtlos perfekte Stilmix aus Pop, Rock, Jazz, Soul, Funk und Psychedelia in Zusammenhang mit der gesellschaftspolitischen Agitation in den Texten. Sly & The Family Stone gaben eine stilistische Vorlage, von der sich Jahrzehnte später vor allem Prince und Lenny Kravitz inspirieren ließen. Schon früh arbeitete Sly Stone am alles integrierenden Stilkonzept der von der Hippiebewegung geprägten Gegenkultur. Das unterstreicht das Box-Set HIGHERfl mit auf vier CDs verteilten 77 Songs (davon 17 bis dato unveröffentlicht) in chronologischer Reihenfolge: Finden sich doch zwischen den großen Hits „Dance To The Music“, „Stand!“, „Hot Fun In The Summertime“ und „I Want To Take You Higher“ auch sieben Aufnahmen aus der Frühphase der Band, bevor die bizarr gekleidete Truppe 1967 mit dem programmatisch betitelten Debütalbum A WHOLE NEW THING auf dem Epic-Label Premiere feierte. Drei bahnbrechende Alben, DANCE TO THE MUSIC, LIFE und STANDfl, gekrönt von einem vierten – dem politisch kontroversen und noch innovativeren Meilenstein THERE ‚S A RIOT GOIN‘ ON (damals Nummer eins in den USA) – folgten bis zum Jahr 1971. Dreimal platzierten sich Singleauskopplungen auf Platz eins der US-Charts: die Soul-Folk-Hymne „Everyday People“, die hypnotische Funk-Orgie „Thank You (Falettinme Be Mice Elf Agin)“ und das subtil mit Beatbox unterlegte „Family Affair“. Zwar waren Sly &The Family Stone bereits durch Allüren und Eskapaden angeschlagen, aber es gelang der Band 1973 mit FRESH ein noch adäquater Nachfolger. Mit SMALL TALK (1974), HIGH ON YOU (1975) und HEARD YA MISSED ME, WELL I’M BACK (1976) sowie den gefloppten Singles „Loose Booty“, „Crossword Puzzle“ und „Family Again“ vollzog sich langsam, aber sicher der kreative Abstieg. Keinerlei Berücksichtigung auf HIGHER! fanden Songs der Alben BACK ON THE RIGHT TRACK (1979) und AIN’T BUT THE ONE WAY (1982), die nach dem Wechsel vom Epic-Label bei Warner veröffentlicht wurden.

****** Mike Köhler

THE SMASHING PUMPKINS

THE AEROPLANE FLIES HIGH

Virgin/Universal

Mellon Billy And The Infinite Output: Remasterte -und mit dreimal so vielen Tracks wie das Original ausgestattete – Ausgabe des 1996er-Singles-Boxsets der einstigen Alternative-Rock-Alleskönner.

Man vergisst das oft, manch einer vergisst es sogar gerne: 1996 waren die Smashing Pumpkins eine der visionärsten, mutigsten, daher wichtigsten und glücklicherweise auch größten Bands der Welt. Fünf Millionen Mal verkaufte sich ihr Doppelalbum MELLON COLLIE AND THE INFINITE SADNESS damals allein in den USA. So groß war die Band, dass sie alle fünf Singles aus ebendiesem Schinken -„Bullet With Butterfly Wings“,“1979″,“Zero“,“Tonight, Tonight“ und „Thirty-Three“ jeweils in erweiterten Versionen gesammelt in einem bald mit Platin ausgezeichneten Boxset veröffentlichte: THE AEROPLANE FLIES HIGH. Im kahlen Kopf von Billy Corgan sind die Smashing Pumpkins immer noch eine große Band, weswegen er es für nötig hält, seinen Backkatalog Stück für Stück remastered und mit einer Unzahl an Bonustracks aufgestockt wiederzuveröffentlichen. Nachdem er zuletzt MELLON COLLIE AND THE INFINITE SADNESS aufgemotzt hat, ist nun die zugehörige Singlessammlung fällig. Statt der ursprünglichen 33 („Thirty-Three“fl) Songs droht einen das 2013er-Reissue mit 104 Tracks (14 davon sind Videos) zu erschlagen: bislang unveröffentlichte Demoaufnahmen, Alternative Takes, Live-Aufnahmen -you name it. Die Deluxe-Version des Pakets enthält neben den Single-CDs noch eine weitere mit Live-Songs von der 1996er-Tournee sowie eine DVD mit dem Mitschnitt eines Konzerts aus dem Jahr 1997 in Frankreich. Dazu gibt es ein Büchlein mit gewohnt eloquenten Kommentaren von Billy Corgan zu allen Songs der Originalfassung. Der 46-Jährige meint es also weiterhin gut mit uns … oder? Will er sich mit der superopulenten Rückschau auf seine goldenen Jahre nicht eher selbst schmeicheln, wenn schon niemand seine Musik der vergangenen 15 Jahre hören will? Interpretation. Fakt ist, dass angesichts der Materialfülle hier eine übersichtliche Tracklist nur käuferfreundlich gewesen wäre. Jede der minimal betexteten CDs ist in ein wie billiges Geschenkpapier glitzerndes Falt-Cover verpackt, dessen leere linke Hälfte nur um des Aufk lappens willen existiert. Eine Auflistung des jeweiligen Inhalts hätte genug Platz gehabt. Die Live-DVD ist gleich gar nicht beschriftet. Ansonsten kommt der Fan aber auf seine Kosten: Denn immerhin ist die Mehrheit des Bonusmaterials nicht die zu erwartende Füllware. Herausragend sind etwa eine countryfizierte Live-Version von „Tonight, Tonight“ und das cockrockende Live-Cover des Willie-Dixon-Klassikers „I Just Want To Make Love To You“, mit dem die oft als spaßbefreit verschriene Band ebenso Humor beweist wie mit dem „Special Winner’s Song“, einem schimpfwortreichen Impro-Jam für einen Konzertbesucher. Zumindest aufschlussreich sind Stücke wie das metallastige 8-Track-Demo von „Zero“ und das zärtliche SIAMESE DREAM-Outtake „Infinite Sadness“. Über die allesamt exquisiten A-Seiten und starke B-Seiten wie James Ihas „The Boy“ und das Beatlesartige „Meladori Magpie“ muss man nicht groß schreiben. The Aeroplane really flew high in 1996. Danach begann ihr bis heute andauernder Absturz.

****1/2 Stephan Rehm