Blues – Geschichte und Geschichten von Carl-Ludwig Reichert

Die groben Koordinaten der Geschichte kann ein jeder, der sich auch nur peripher dafür interessiert, herunterbeten: die Verschleppung der Afroamerikaner in die Sklaverei auf dem amerikanischen Kontinent; die mähliche Entstehung einer spezifischen musikalischen Ausdrucksform der Schwarzen im Laufe des 19. und frühen 20. Jahrhunderts; die Landflucht aus dem Süden in die großen Metropolen wie Detroit. Memphis, Chicago und New York und die damit verbundene Urbanisierung des Blues; nicht zuletzt die Blüte des Genres mit Stars von Howlin‘ Wolf bis Muddy Waters sowie sein Aufgehen in der Rockmusik der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. So weit, so gut. Carl-Ludwig Reichert, Philologe, Literaturwissenschaftler und ausgewiesener Blueskenner, geht in BLUES in die Tiefe, seziert, analysiert, beleuchtet Querverbindungen, lässt die Akteure selbst zu Wort kommen und blickt bei Bedarf über den Tellerrand des Musikchronisten hinaus. Dabei vermeidet er allzu professorales Dozieren und glänzt mit reichlichen launigen Anekdoten. Gelegentliche Ungenauigkeiten (so erschien „Love In Vain“ auf einer Stones-Single erst 1970, nicht schon in den 60ern) tun der Freude über ein Buch jedoch keinen Abbruch, das den Leser nach Lektüre erheblich schlauer und überdies gut unterhalten zurücklässt. Damit auch der Hörsinn nicht zu kurz kommt, ist BLUES eine Audio-CD beigefügt, die sich hören lassen kann. Neben Klassikern wie Willie Dixon, Memphis Slim, „Mississippi“ Fred McDowell oder Lightnin‘ Hopkins gibt es darauf auch Stücke von heute weitgehend vergessenen Künstlern wie Jesse Füller, Reverend Gary Davis und Alberta Hunter, die der großen Blues-Bibliothek ihre ganz eigenen Farbtöne hinzugefügt haben.

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