Bon Iver, München, Ampere
Ach ja. Die Amis und ihre Faszination für das Oktoberfest, die mannshohen Maßkrüge, die fast schon diktierte Ausgelassenheit in den Zelten und auf den Tischen. Da fährt schnell die Ehrfurcht in die Gäste aus dem Land des Größer, Höher, Weiter und lässt sie Sätze fallen lassen wie „Neuer seen anything like that before“. Die vor dem Konzert aus den Boxen dudelnden bayerischen Blasmusik-Traditionals kamen folglich nicht von ungefähr, sondern von einer aufrechten Bewunderung für die einheimische Kultur-not! Jemandem, der seinem Debütalbum so schlaue und so zarte und einfühlsame Musik einzuverleiben vermag, unterstellen wir einfach mal, dass er die Münchner ein wenig foppen wollte. Kein Problem, das konnten die ab. Was folgte, zog ihnen jedoch den Boden unter ihren sonst so strammen Bergsteigerwadeln weg.
Justin Vernon- der ja auf den Pressefotos immer so klein ausschaut, tatsächlich aber ein Hüne vor dem Herrn ist, und dessen durchdringender Falsett 2008 neben den paradiesischen polyphonen Stimmübungen der Fleet Foxes als gesangliches Glanzlicht bestehen konnte – hat, zumindest hier im Freistaat, in Sachen Folk- und Vokalmagie erst mal vorgelegt, während die Seattler im November beweisen müssen, ob sie mithalten können. Das Spiel mit der Dynamik aus dem Effeff beherrschend, streichelte Vernon in der Regel zunächst sachte seine Gitarre, nur um im Laufe des Songs zusammen mit seiner Tourband zu einem volltönenden Flehen anzuschwellen. Die besonders intensiven Gesangsmomente garnierte Vernon stets mit einer vor Emotion nur so zerfurchten Miene und ungestümem Zähnefletschen, das seinen Höhepunkt in der Zugabe erreichte. Für den letzten Song, ein das Original um Längen schlagendes Cover der Herzschmerz-Ballade „Lovin’s For Fools“ von Sarah Siskind, kamen die vierköpfigen Bon Iver gesammelt nach vorne in die Bühnenmitte und bleckten abermalig ihre blanken Beißer ins Auditorium, dem glasklar war: Mehr fühlen geht nicht. Außer sie beißen uns.
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