Branford Marsalis :: Sax-trip

Saxophon-Jazz aus dem modernen Lager, pur und live in spartanischer Triobesetzung. Eine Komposition wie „Xavier’s Lair“ (von Song kann bei einem so freien Stück Musik ohne Akkordfolgen kaum die Rede sein) entfaltet sich hier doppelt so lange wie im Studio — eine 15minütige Tour de force, zu der Produzentenbruder Delfeayo einen Wegweiser beisteuert: „(:56-1:19) 28 bar phrase, (1:19-1:52) 39 bar phrase“ u.s.w.

Hier sich überlagernde Rhythmen, dort Calland-Response. „Hört euch die Feinheiten genau an“, fordert Delfeyao, und wer’s tut, gerät in einen Sog. Denn Branford, Robert Hurst am Baß und Drummer Jeff „Tain“ Watts spielen nichts Kopflastiges. Noch die wildesten, freiesten Improvisationen beweisen viel Sinn für Struktur. Noch die komplexesten Passagen sind hochgradig lebendig und spannend.

Diesbezüglich übertrifft das Marsalis-Trio live in Bloomington selbst noch das auf THE BEAUTIFUL ONES ARE NOT YET BORN bewiesene Format (ein Vergleich der verschiedenen Versionen lohnt).

Auf BLOOMINGTON gibt es Momente von klischeefreier Schönheit. So weckt Branfords Balladenspiel bisweilen Erinnerungen an Coleman Hawkins. Doch kann es auch in wilde Pulse-Attacken münden. Intelligente Musik, kein Zweifel. Aber eben auch der pure Spaß — was den Hörgenuß mit Leichtigkeit verdoppelt. Das Repertoire setzt sich aus sechs starken (und langen) Stücken zusammen. Darunter aus fremder Feder die Ballade „Everything Happens To Me“ und Monks „Friday The 1 3th“ — aufgenommen an einem Glückstag für alle, die Sonny Rollins verpaßt haben.