Bright Eyes – I’m Wide Awake, It’s Morning :: Songs von der Intensivstation USA
Muss hierzulande noch einer die Werbetrommel für Conor Oberst rühren? Die frühe Seligsprechung ereilte den 24-jährigen Sänger und Songwriter durch seine amerikanischen Landsleute. Rock’s Boy Genius, Voice Of A Generation. Aus dem Niemandsland Nebraska, aus dem ziemlich Mittleren Westen auf die Landkarte des Pop katapultiert, mit Boss Bruce und R.E.M. im Kampf gegen Bush live on tour geadelt. Der schmächtige Junge mit der sich überschlagenden Stimme und dem Duktus des Propheten. So einen haben sie gesucht – und gefunden.Was haben wir hier und jetzt zu erwarten: Conor Obersts Opus Magnum, das in Leinen gebundene Gebetbuch des runderneuerten US-Rock und-Folk? Die Songs, die Bright Eyes und das Label Saddle Creek endlich zum gerechten Ruhme verhelfen werden, weil’s so im Masterplan steht?
Von allem ein bisschen und vielleicht auch etwas ganz anderes. Conor Oberst veröffentlicht zwei Alben auf einmal, doch jedes erscheint für sich, es gibt keine gemeinsame Klammer, keinen Pappkarton, in dem die beiden CDs stecken – keinen Supersparpreis als Dank an den treuen Käufer. Bright Eyes sind seit ihren letzten Singles „Lua“ und „Take it Easy“ ein Bigshot in den USA. Den Mehrwert der Parallel-Veröffentlichung in Zeiten künstlerischen Knauserns und kommerziellen Kriseins nehmen wir dankbar zur Kenntnis und verweisen auf die Kritik zu DIGITAL ASH ON A DIGITAL URN auf Seite 74.
I’M WIDE AWAKE, IT’S MORNING ist Conor Obersts Weckruf für die Zweifelnden und Einsamen, diese Songs wollen hinaus in die Welt, die schlechte und unbequeme, sich und ihre Andersartigkeit feiern. Ich, ich, ich bebt es zwischen gestreichelten, geschrubbten und Pedal Steel Gitarren, und wenn’s noch mehr sein soll, schickt Oberst uns einen Trompetenchor und das Englein Emmylou Harris hinterher. „We Are Nowhere And It’s Now“. Der Schmerz, der Tod und die Verwirrung, sie wohnen immer noch in diesen Songs, aber sie machen sofort Platz für die Feier der Liebe („First Day Of My Life“). Oberst stolpert mit seiner Stimme über die davongezupften Akkorde, als könne ersein Glück nicht fassen. „Another Travelin‘ Song“ nimmt Tempo auf, tuckert ins Herz des wilden, jubilierenden Amerika, das wir nur aus Erzählungen und Popsongs kennen. Man möchte Johnny Cash und Bob Dylan als Kronzeugen bestellen „anddream about a train that ’sgoing to take me back to where I belang“. Die Musiker, die Oberst bei diesen Songs assistiert haben, kennen ihn seit Jahren, sie spielen in all den anderen Saddle- Creek-Bands, in The Faint, Azure Ray, Now It’s Overhead, Rilo Kiley.
Die kratzigen, biestigen Sinfonien vom phänomenalen Vorgänger L1FTED machen einem schillernden Song-Ensemble Platz, in dem Tradition und Aufbruch gleichermaßen stattfinden. Oberst verflicht die Texturen guter Heimarbeit mit den Ergebnissen aus 30 Jahren Forschung im Country-Rock. In „Old Soul Song (For A New World Order)“ gibt er mit bebender Stimme Report vom Tag des Straßenkampfes, wie ein alter Soul-Song aus dem Radiowecker plärrt, wie sie an die Barrikaden kommen und die Polizisten austicken dazu darf die Pedal Steel eine Heldenmelodie in God’s own country singen. Guten Morgen, Intensivstation Amerika! Wenn finale Songs alleine dadurch Gewicht erlangen, dass nach ihnen Stille ist, müssten wirüber „Road To Joy“ keine weiteren Worte verlieren. „Road To Joy“ ist aber Betriebsverfassung, Hymne und Manifest der Möglichkeiten: „I could have been a famous singer, if I had someone else’s voice/but failure always sounded better, let’s fuck it up boys/make some noise“. Was dann umgehend in die Tat umgesetzt wird. Was Oberst zur Stimme einer Generation macht, das sollen bitte andere erklären.
VÖ: 24.1.
www.saddle-creek.com
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