Broken Music

Die Bekenner-Welle hat nach Deutschland und den USA jetzt offenbar auch die Toskana erreicht, genauer gesagt Sting,der dort in einer Villa samt Weinberg residiert. Gordon Matthew Sumner, im tristen nordenglischen Wallsend geboren, gibt so manch intime, nicht immer ruhmreiche Story aus seiner Vergangenheit zum Besten; allerdings gelingt dem Bassisten, Sänger und Hobby-Schauspieler dies, im Gegensatz zu den Ghostwritern der Herrschaften Becker. Bohlen, Naddel & Co., mit Tiefgang. Stil und Wortwitz. (Na gut, es wäre auch ganz schön bitter, wenn der Verfasser von Lyrics wie „They Dance Alone“ und „Synchronicity“ sich nicht gewählter ausdrücken könnte als der Schöpfer von „Geronimo’s Cadillac“. Was das Buch besonders interessant macht, ist, dass der Exil-Brite sich bei seinen klug angeordneten Anekdoten weniger auf die erfolgreichen – für ihn zweifellos vorteilhafteren – Jahre mit The Police oder als 100-Millionen-CDs Solokünstler konzentriert, sondern stattdessen weit in seine Kindheit zurückblickt. Schonungs-, aber nicht erbarmungslos beschreibt er das Verhältnis zu den Eltern, der Großmutter, frühen Freunden bis hin zu Kollegen plus Ehefrau Trudie. Dabei bleiben charmante bis latent bösartige Spitzen sogar gegen sich selbst nicht aus. So lernen wir tatsächlich „Sting, den Menschen“ kennen; über „Sting“, den millionenschweren „Rock-Promi“ weiß jeder, den es interessiert, längst genug. Ein zusätzlicher Fototeil hätte z.B. die Trostlosigkeit des väterlichen Milchladens illustrieren können oder erklären, warum seine Mitschüler den späteren Frauenschwarm einst „Lurch“ riefen nach dem potthässlichen Riesen-Butler der „Addams Family“. Aber auch bildfrei ist broken music jedem, der hervorragend geschriebene, episodenhafte Lebensgeschichten schätzt, wärmstens zu empfehlen. Eine Fortsetzung liegt förmlich in der Luft; vielleicht erfahren wir dann irgendwann auch, warum Stings aktuelles Album sacred love so furchtbar fad und prätentiös ausgefallen ist. Oder wollen wir ihm wenigstens dieses eine Geheimnis gönnen?