Bruce Springsteen :: Tunnel Of Love

Der Einstieg läßt hoffen. „Ain’t Got You“ intoniert er gefühlvoll zu lässigem Fingerschnippen und akustischer Schrammelgitarre — ein gospelnder Bluesanfang mit Dampflock-Mundharmonika, der das Einschlagen neuer Wege zu signalisieren scheint. Sollten Springsteen und sein Produktionsteam doch klangliche Nachhilfestunden bei Cougar Meilencamp und In-Producer Don Gehman genommen haben?

Die spitze, scharfe Snare von „Tougher Than The Rest“ gleich im Anschluß scheint den ersten Eindruck stützen zu wollen. Doch unversehens schmieren fette, süßliche Keyboards das Arrangement zu — der Traum ist ausgeträumt. Da nützt auch die Country-Leadgirarre und die dylaneske Mundharmonika nichts.

„All That Heaven Will Allow“, Track Nummer Drei, wiederum im Midtempo-Bereich angesiedelt, kommt dann gar seicht und kitschig, rhythmisch irgendwo zwischen Foxtrott und Polka, und macht dann deutlich, warum die Amerikaner Springsteens neue LP als Love Song-Album promoten. Der Rock’n‘ Roller hat einen Gang zurückgeschaltet (oder ist ganz in den Urlaub gegangen). Kein Biß, kein Speed, keine Power. Selbst der Titelsong, die energiegeladenste Nummer, ist nur im Ansatz ein Rockstück, bleibt aber brav und bieder. Auch wenn The Boss in den schöneren, akustischer angelegten Songs sämtlichen alten schwarzen Blueshelden und weißen Country (& Western) — Protagonisten Tribut zu zollen scheint (nebenbei ist Dylan ständig präsent, werden die Beatles zitiert, Hobo-und TexMex-Musik inclusive Mink deVille verarbeitet), erdig ist Tunnel Of Love nur in wenigen, kurzen Momenten. Ob Bruce deshalb sein T-Shirt und seine Jeans gegen das smartere Outfit ausgetauscht hat? Unterm Strich bleibt bei Tunnel Of Love ein ständiges Schön-mehrfachgehört-Gefühl und die Enttäuschung darüber, daß der Superstar nicht ein einziges Mal musikalisch vehement loszieht.