Bye Bye Baby :: Teenie-Obsessionen

Im Leben eines jeden Pop-Fans gibt es einen dunklen Fleck. Manchmal auch mehrere, zugegeben. Eine Tatsache, die sich in der Existenz von Kajagoogoo-Postern.fein säuberlich zusammengefaltet im Umzugskarton auf dem Dachboden, oder David Dundas-Singles mit Eselsohren in der zweiten Reihe des Plattenregals äußert. Kommen die Devotionalien ans Tageslicht, werden sie meist mit verschämten Bemerkungen wie „tja, da war ich eben erst zwölf Jahre alt“ quittiert. Und genau das haben sie nicht verdient,gehören sie doch in die pubertär-musikalische Identitätsfindung wie kaum etwas anderes. Genau diesem Phänomen setzt die Musikjournalistin Caroline Sullivan mit Bye Bye Baby ein amüsantes Denkmal. Ziel ihrer Teenie-Obsession sind die Bay City Rollers, die sie als Überzeugungstätern auch wider besseren Wissens quer durch die USA verfolgt und sich in Hotelhallen und Flughafenbars die Beine in den Bauch steht. Die Roller-Zigarettenstummel in Sammelalben klebt und ihr sauer verdientes Geld für Betty Boop-T-Shirts und silberfarbene Blousons ausgibt, um beim nächsten Konzert vielleicht doch noch die Aufmerksamkeit von Sänger und Lieblings-Roller Les McKeown auf sich zu ziehen. Mit liebevoller Akribie erinnert sie sich an jede noch so peinliche Begebenheit ihres Daseins als Berufs-Fan und beleuchtet mit beißender Selbstironie die Untiefen ihrer Obsession für die pickligen Schotten, die Mitte der siebziger die mit Abstand erfolgreichste Boygroup war. Nebenbei begleitet man die Autorin auf ihrem Weg vom musikbegeisterten Vorstadt-Teen zur etablierten Musikjournalistin, beneidet sie um ihre Sex Pistols-Singles, sieht ihr beim Lesen des in den USA seinerzeit äußerst exotischen „New Musical Express“ über die Schulter und erfährt so nebenbei allerlei wissenswerte, unterhaltsame Anekdote aus den mitunter skurrilen siebziger Jahren. Wer nach dieser Lektüre nicht wieder seinen bereits verschämt in den Keller verbannten „Bravo“-Starschnitt von Bonnie Tyler, Smokie, Sweet oder Barry Ryan hervorkramt, während sich Sailors „A Glass Of Champagne“ auf dem Plattentelller dreht, der hat ein Herz aus Stein.

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