Can :: Zartgemüse aus der Dose

Monster Movie 1969

Ein Debüt wie ein Feuerball: Erinnerten die abgedrehten Songstrukturen gelegentlich an Captain Beefheart oder Velvet Underground, versetzten einen Liebezeits repetitive Rhythmus-Patterns und Mooneys blutende Vocals vor allem im 2Ominütigen „Yoo Doo Right“ in einen Trance-Taumel, der dort endete, wo magische Rituale stets enden: far out.

Soundtracks 1970

Musik für Kino- und TV-Filme war stets eine Can-Spezialität. Sieben Auftragsarbeiten und zwei Sänger werden hier präsentiert: Malcolm Mooney singt das jazzige „She Brings The Rain“ und das von Höllenpein durchfurchte „Soul Desert“, Damo Suzukis verwunschenes Wispern prägt den Rest des Sets. Highlight: der psychedelische Hexentanz „MotherSky“.

Tago Mago 1971

Mit diesem narkotischen Meisterwerk zündete Can endgültig den Treibsatz in eine neue Dimension: Die Band gebar in kollektiven Improvisationen stundenlange Klangepen, die am Schneidetisch zu klar strukturierten Songs oder zu i7minütigen Soundorgasmen zwischen Pandämonium und Poesie mutierten. Rock? Jazz? Avantgarde? Ekstase!

Ege Bamyasi 1972

Plötzlich war Can in aller Munde: „Spoon“, das Titelstück des TV-Krimi-Dreiteilers „Das Messer“, wies den Weg in die Charts. Überhaupt entpuppte sich „Ege Bamyasi“ als bislang zugänglichste Platte und wartete mit einigen veritablen Ohrwürmern auf, ohne daß darob die Lust der Band am Experimentieren zu kurz gekommen wäre. Im Zweifelsfall gilt also: That’s the Can-album to Start with.

Future Days 1973

Sanfter, eleganter, sinfonischer beinahe klang Can vorher nicht und danach nie wieder. Wer das 2ominütige „Bei Air“ gehört hat, weiß, warum die Gruppe stets mit dem Prädikat „ihrer Zeit voraus bedacht wurde: Ambient begann hier und nirgendwo anders. Musik, die den Hörer umspült wie die Wellen des Pazifik und nach Luft japsend zurückläßt. Ein Traum.

Soon Over Babaluma 1974

Nach dem Abschied von Damo Suzuki war der Can-Nukleus auf sich selbst zurückgeworfen – und zog sich brillant aus der Affäre. Michael Karoli, der hier bisweilen Lead-Violine statt Gitarre spielte, und Irmin Schmidt teilten sich den Gesang in Stücken, die zwischen Reggae, Tango, Rock sowie Collagen mit verfremdeten Stimmen und seltsamen Klopfzeichen oszillieren,

Landed 1975

Der Titel traf’s: Die Höhenflüge waren passe, man liebte es fortan erdig: „Full Moon On The Highway“ war Chuck Berry im Opel Kapitän, „Hunters And Collectors“ klang nach Beach Boys bei Regen, in „Red Hot Indians“ blies Olaf Kubier ein beseeltes Sax. Nur“Unfinished“ fiel aus dem Rahmen als aus der Endlos-Session „The Magic Day“ destillierter „interstellar overdrive“.

Unlimited Edition 1976

Daß bei der Arbeitsweise von Can eine Menge Material liegenblieb, versteht sich von selbst. Einige der schönsten und schrägsten Songs und Fragmente wurden auf diesem Sampler ebenso verewigt wie Auszüge aus dem „E.F.S.“-Zyklus („Ethnological Forgery Series“), in dem die Band diverse Musikstile parodierte. Die Rock-Revoluzzer als Spaß-Guerilla: gnadenlos, aber gut.

Flow Motion 1976

Sanft der „flow“, slow die „motion“: Can begann tatsächlich angenehm beiläufig zu klingen. „Love Till You Cry…“? Beschwipster Reggae. „Cascade Waltz“? Ein humpelnder Countrywalzer. „I Want More“? Furztrockener Funk. Das Titelstück? Ein ständig um sich selbst kreisendes, hypnotisches Groove-Monster. Die Produktion? Beängstigend perfekt. Eine Premiere: Can clever.

Saw Delight 1977

Nichts schien mehr so zu sein, wie es mal war: Durch die Verpflichtung der Ex-Traffic-Musikanten Rosko Gee und Reebop Kwaku Baah geriet die Can-Chemie gehörig aus dem Lot. Holger Czukay drehte nur noch an Knöpfchen, an Stelle von Jaki Liebezeits virtuos-minimalistischem Drumming hört man es jetzt polyrhythmisch pluckern. Can = Osibisa + Santana geteilt durch Traffic?

Out Of Reach 1978

Der Tiefpunkt war erreicht, Can nur noch ein Schatten vergangener Glanzzeiten. Czukay war ausgestiegen, das Material durchwachsen, das Zusammenspiel wenig inspiriert, die Beteiligten allesamt furchtbar enttäuscht. Irmin Schmidt: „Ich spüre keine Magie darin.“ „Give Me No Roses“ heißt ein Song. Ein Wunsch, dem man nach Anhören des Albums nur zu gern nachkam.

Can 1978

Unverhofft kommt oft: In der Besetzung Schmidt-Karoli-Liebezeit-Gee-Reebop raffte sich Can kurz vor Toresschluß noch einmal zu einem akzeptablen Album auf. Das ließ zwar trotz eines Openers namens „All Gates Open“ Pioniergeist vermissen, persiflierte stattdessen Offenbachs „Can Can“ und klang ansonsten wie Santana auf Speed. Was aber durchaus seinen Reiz hatte.

Delay 1968 (1981)

So gut wie auf diesem Album, dessen Stücke – Achtung!-kurz vor oder unmittelbar nach dem Debüt „Monster Movie“ aufgenommen worden waren, hatte Can seit Jahren nicht mehr geklungen. Tracks wie „Thief“, „Uphill“ oder „Butterfly“ hatten anno ’81 bereits 12, 13 Jahre auf dem Buckel und klangen dabei frischer als das meiste, das seinerzeit das Etikett New Wave trug.

Rite Time 1989

Zum Jubiläum die Reumon in Urbesetzung: Czukay, Karoli, Liebezeit und Schmidt arbeiteten 20 Jahre nach ihrem Debüt ein (vorerst) letztes Mal zusammen und holten Malcolm Mooney ins Studio. Das Resultat konnte sich hören lassen, auch wenn man die Nostalgiebrille abnahm: Die alte Magie mochte verflogen sein, „The Beautiful Side Of A Romance“ (Songtitel) war’s allemal.

Sacrilege 1997

Ein Remix-Album als Ritterschlag: Sonic Youth und A Guy Called Gerald, Air Liquide und The Orb, Westbam, Brian Eno und viele andere der Nostalgie unverdächtige Herrschaften verbeugen sich mit einer „real jungle-hip-hoptechno-show“ und ohne falsche Ehrfurcht vor ihren Idolen. Can postulierte einst: „In the distance lies the future.“ Vielleicht liegt darin ja das Geheimnis.