Can
Wären Can heute Debütanten, bemüht um einen Plattenvertrag, würden die A&R-Manager dieser Welt wohl in schallendes Gelächter ausbrechen. Eine Band, die auf der Bühne ausschließlich improvisiert? Minderheitenprogramm. Randgruppenbeschallung. Unverkäuflich. Kein Interesse. Danke. Nur: Als Can 1968 auf der Bildfläche erschienen, war es nicht wesentlich anders. Kommerzielles Potenzial unterstellten ihnen wohl die Wenigsten, aber immerhin war den Kölnern der Zeitgeist gnädig: Befreiung war das Gebot der Stunde, und dazu gehörte auch die Loslösung von tradierten Songstrukturen und all den anderen Patentrezepten der Popbranche. DVD eins eröffnet mit einem 50minütigen Live-Mitschnitt aus dem Jahr 1972: Eine auch für heutige Verhältnisse furiose Performance, die den Zeitgeist auf den Punkt bringt, allerdings ein wenig unter der mäßigen Klangqualität leidet. „Can Notes“ nennt sich das folgende, rund 80minütige Porträt, angefüllt mit zahlreichen Interviews und dicht gefolgt von einer Fotogalerie und vier Remixes. DVD zwei birgt Biographien, einen Kurzfilm von Brian Eno, Szenen der „Echo“-Verleihung und vor allem die knapp eineinhalbstündige Doku „Can – Documentary“, neben dem Live-Gig das zweite Kernstück der Doppel-DVD. Inszeniert nach bewährter Dolezal-Rossacher-Manier, verknüpft der Film Interviews mit teils raren Clips, Live-Auftritten und zeitgenössischen Reportagen. Absolut sehenswert. Vor allem der BBC-Mitschnitt aus dem „Old Grey Whistle Test“ begeistert, und der progressive deutsche TV-Redakteur, der die öffentlich-rechtlichen Gebührenzahler nach einem Can-Beitrag beschwichtigt, wirkt bei der Erfüllung seines Kulturauftrages hinreißend komisch. Sinngemäß: „Sie werden sich fragen, warum wir ihnen das zugemutet haben. Aber Gruppen wie Can existieren eben.“ Die Audio-CD enthält 13 Solo-Tracks aller Beteiligten und lag der Pressekopie leider nicht bei. Aber allein die beiden DVDs lohnen den Erwerb des Box-Sets.
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