CD- Platten
Die CD-Presser waren auch im ‚Sommerloch‘ nicht faul. Compact-Disc Player für den Betrieb an südlichen Stränden wird es auf absehbare Zeit zwar nicht geben; aber wer bei frühwinterlichen Temperaturen daheim geblieben war, konnte im Zweifelsfall viel Geld für neue CDs loswerden. An teuren US-Importen gab es beispielsweise Joan Armatradings THE KEY (A & M CD-4912), die ich mit der LP überhaupt nicht verglichen habe, weil die CBS-Pressung so schlimm verwellt war, daß sich das erübrigte. Ein ähnlicher Fall ist SCISSORS CUT von Art Garfunkel (CBS Sony 38DP22), eine von Mischpult-As Roy Halee hervorragend aufgenommene Produktion.
Und wer DECLARATION von den Gitarren-Sturmern The Alarm (A&M CD 70 608) auf Platte schon reichlich verschlissen hat, der darf sie nun optisch berührungslos auf dem Silberplättchen abtasten. Nur die auf der CD-Hülle aufgestellte Behauptung, hier handle es sich um eine digitale Aufnahme (fehlt auf der LP übrigens), wage ich sehr zu bezweifeln. In den Zwischenläufen der langsameren Stücke gegen Schluß hört man doch ein wenig vom üblichen Bandrauschen.
Noch viel mehr davon hört man – wie sollte es anders sein? – bei der CD-Kompilation von THE BEST OF CHUCK BERRY (Vogue 6000033/ Teldec Import Service), die bei über 56 Minuten Spielzeit 22 der berühmten Rock ’n‘ Roll-Nummern des Ex-Friseurs aus den Jahren 1955 bis 1960 präsentiert: mono natürlich und mit jenem „big eat“ wie er in den Chess Studios üblich war, damit auf den Schellackplatten noch das richtige Baß-Feeling ruberkommen konnte. Eine Veröffentlichung, die man wirklich nur den abgebrühtesten CD-Fans ans Herz legen kann. Da knistert und knackt nichts, und die Bänder wurden so gefiltert, daß viele neuere Aufnahmen drastisch mehr rauschen. Aber verfärbt und manchmal verzerrt klingt’s halt doch. Das krasse Gegenteil ist Roger Waters‘ Solo-Opus THE PROS AND CONS OF HITCH HIKING (Harvest CDP 7 46029-2), für Sound-Freaks ein Fest und unter produktionstechnischen Aspekten ein noch wahnwitziger ausgetüffteltes Projekt als die späteren Pink Floyd-Werke bis THE FINAL CUT. Was sich da in der Tiefe des Alptraum-Raums alles an phantastischem Irrsinn abspielt und wirklich aus beängstigender Stille kommt, mag unter künstlerischem Aspekt ein ärgerlicher Ego-Trip sein. Aber klanglich ist in den letzten Jahren kaum eine Pop-Aufnahme besser realisiert worden, wenn man mal von Joni Mitchells WILD THINGS RUN FAST (Geffen 35DP51/Japan Import) oder dem auch auf CD höchst eindrucksvollen LOVE OVER GOLD von Dire Straits absieht.
Eric Claptons Soli klingen hier entschieden weniger verklirrt und verrauscht als auf dem Album BACKTRACKIN‘ (RSO 821 937-2), das eine der unseligen Bestseller-Zusammenstellungen ist, bei denen man auf CD nicht mal die maximale Spielkapazität nutzt. Der Grund wird den Käufern unverständlich bleiben, nachdem man zwei- bis dreimal soviel wie für die parallele Doppel-LP berappen darf. Schließlich handelt es sich um Material, das sich für die Firmen schon reichlich amortisiert hatte.
Im Gegensatz dazu wird bei dem Jazz-Oldie TOGHETER FOR THE FIRST TIME/THE GREAT REUNION von Louis Armstrong/Duke Ellington (Roulette/MFSL MFCD 2-807. Vertrieb durch Erus Technik, Eschborn) nun nicht gegeizt. Die Doppel-LP mit knapp über 68 Minuten Spieldauer wurde auf eine CD transferiert: hier ist man sozusagen live im Studio dabei, und man hört, warum Produzent Bob Thiele damals zu den allerbesten seiner Zunft gehörte.
Auch in den späten fünfziger Jahren konnte man schon phantastische Stereoaufnahmen machen, wie man bei Mobile Fidelity Sound Lab mit der CD-Publikation von WAY OUT WEST des Trios Sonny Rollins/Ray Brown/Shelley Manne bewiesen hatte (MFCD 801. ebenfalls Erus Technik).
Dagegen ist Rod Stewarts CAMOUFLAGE (Warner Bros 9 25095-2), mit Verlaub gesagt, ein höhengeiler, mit Studioeffekten vollgepackter und auf maximalen Autoradio-Sound abgemischter Hardrock-plus-Disco-Pop von so geringer Dynamik, daß vergleichsweise sogar BODY WISHES (soeben auch auf CD unter Warner Bros 9 23877-2) interessantere klangliche Schattierungen bietet. Da muß man sich nur wundern, warum sich kein PolyGram-Labelmanager entschließen kann, die frühen Rod Stewart-Klassiker (AN OLD RAINCO-AT… und GASOLINE ALLEY), die bei Mercury erschienen waren, auf CD anzubieten. Sozusagen statt der 23. James Last-CD … In Japan macht man schon CDs mit Klassikaufnahmen der vierziger und sogar der dreißiger Jahre!
Verschiedene der besten Rock-Produktionen aus den letzten Monaten sind jetzt auch auf CD greifbar, etwa PUNCH THE CLOCK von Elvis Costello (F-Beat/RCA ZD 70026). Laurie Andersons MI-STER HEARTBREAK (Warner Bros. 9 25077-2), Thomas Dolbys THE FLAT EARTH (Parlophone Odeon CDP 746028-2) und das Madness-Spätwerk KEEP MOVING (Stiff 8.25639). Nur zeigt sich hier genauso wie bei dem Queen-Bestseller THE WORKS (EMI CDP 7 46016-2) und Chris Reas WIRED TO THE MOON (Magnet 821 832-2), daß der klangliche Mehrwert gegenüber den vorher in DMM-Uberspielung vorliegenden LPs so gut wie Null ist.
Also lege ich nach PUNCH THE CLOCK immer sofort wieder FEAR OF MUSIC von den Talking Heads (Sire 256 707) in den Player: Ein zeitloses Pop-Meisterwerk für alle Großstadtneurotiker, das keinerlei Patina angesetzt hat.
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