Chicago – Chicago Transit Authority :: Rockhistory

Baby, what a big surprise: seit nunmehr eineinhalb Jahren zählt Chicago aus Chicago hierzulande zu den gefragtesten Rockbands und rangiert mit schöner Regelmäßigkeit in den deutschen Hitlisten. Solcher Erfolg animierte vor einigen Monaten mal einen NDR-Redakteur, bei der CBS anzufragen, ob es von dieser tollen US-Band denn auch noch ältere Platten gebe. Nun, dem Manne (ob er seinen Job wohl noch hat?) kann geholfen werden: Vor knapp zehn Jahren warfen sieben selbstbewußte Musiker die erste Chicago-LP auf den Markt, und zwar gleich in Form eines Doppelalbums. Das war seinerzeit eine Sensation, aber berechtigt: zwei Plattenseiten hätten diese geballte Ladung Jazz-Rock kaum festhalten können.

1968 und ’69 gelten als die wichtigsten Jahre für die stilistische Ausbreitung der Rockmusik: die Bands drängten damals mit rasantem Tempo in neue Bereiche und experimentierten, was das Zeug hielt. Die Gruppe Chicago hatte sich – ähnlich wie Blood, Sweat & Tears – vorgenommen, die traditionelle Feindschaft zwischen Jazz und Rock zu begraben; Jazzmusiker wie Miles Davis und seine Jünger (John McLaughlin, Joe Zawinul und Chick Corea zum Beispiel) kamen ihnen von der anderen Seite her entgegen. Mit gepflegtem Unterhaltungsrock a la „If You Leave Me Now“ hatte Chicago 1969 allerdings nichts im Sinn: „CTA“ war gespickt mit ekstatischen Gitarrenläufen, aufreizenden Gesangsparts, hypnotischen Bläsereinsätzen und loderndem Perkussionsfeuer. Die Motorik, die Gesangstechnik und das Instrumentarium der Rockmusik verbanden sich hier mit der Freiheit zur Improvisation, dem ungezwungenen Umgang mit Tonarten und Harmonien und dem heißen Sound der Blechblasinstrumente, die für den Jazz typisch sind.

Frischgebackene Chicago-Fans brauchen wohl ein wenig Mut, um zu den Sound-Ausbrüchen der frühen Jahre vorzudringen. Aber es waren nun mal nicht die wohltemperierten Fingerübungen der Neuzeit, sondern Songs wie „I’m A Man“ oder „Does Anybody Really Know What Time It Is“, die Chicagos herausragende Stellung in der Rockgeschichte markiert haben.