Christopher Sandford – Mick Jagger: Rebel Knight

Die Zeiten, in denen Mick Jagger als Person von aktueller Bedeutung für die aktuelle Rockmusik, als Rollenmodell für den Nachwuchs, als Impulsgeber (oder Impulsnehmer und -in-Hits-Umsetzer) gelten durfte, sind vorbei. Als „Sexsymbol“ ist er seit mindestens 15 Jahren zur Karikatur geschrumpft, als Sänger begannen seine selbstparodistischen Bemühungen bereits 1983 – wäre es da nicht aussichtsreicher gewesen, dieses Buch wäre 1993 erschienen, spätestens? Ist es auch. Damit es jetzt noch einmal erscheinen konnte, kamen zwölf Seiten „Epilogue“ dazu. Und eine Zeile „Acknowledgements“. Kann man das Schwindel nennen? Seien wir nachsichtig und nennen die schmale Ergänzung einen Ausdruck dafür, dass es eben wenig zu erzählen gibt seit 1993. was nicht schon vorher erzählt worden wäre: eine Tour, zwei Affären, ein Ritterschlag (und ein paar Platten, aber da fährt Sandford gnädig mit dem Schwamm drüber). Allen Insider-Informationen, Auskünften von Freunden, Eltern und dem FBI zum Trotz: Dem Leser öffnet sich hauptsächlich der Blick in eine ernüchternde, stellenweise erschreckende Öde wahlloser Kopulationen, schillernder Biederkeit und (mit den Jahren zunehmend desorientierter) Bemühungen um die Vorantreibung einer Karriere, die am Ende mit peinlichen Filmrollen, bodenlosen Solound belanglosen Stones-Alben auf das zusammenschnurrt, auf was schon die Karrieren von Presley, Who, Chuck Berry (und neuerdings der Sex Pistols) zusammenschnurrten: einen repetitiven. finanziell ungeheuer einträglichen Wanderzirkus, der sich aus einer Legende speist und sie zugleich verschlingt. Was bringt einen „poor boy“ aus Dartmoor dazu, per Rock’nRoll-Band der materiellen Leere seiner Herkunft ausgerechnet in die emotionale und geistige Nullwüste des Protz-Jet-Sets zwischen St. Trapez, Hollywood und Mustique entfliehen zu wollen? Diese Frage lässt sich aus dem Buch leider höchstens indirekt beantworten; Sandford tut kaum mehr als aufzählen, was passiert und gesagt wird. Aber vielleicht ist das die angemessene literarische Umsetzung eines Lebens, das vom Abgrund in gähnende Höhen führte, ohne merklich an Qualität zu gewinnen. Und jetzt legen wir exile on main st. auf, um den faden Nachgeschmack zu vertreiben und die Illusion aufzupolieren.