Coldcut – Sound Mirrors

Beurteile eine Platte nie nach ihrem ersten Track! Täte ich es im Falle der neuen Coldcut, fiele das Urteil vernichtend aus: „Everything Is Under Control“ (vor ein paar Wochen bereits als Single mit Remixes und Video erschienen) ist ein Muskelprotz von Rock-Dance-Ding mitsamt Grölgesängen und Schweinegitarren (freundlicherweise zur Verfugung gestellt von Jon Spencer). Die Quersumme aus Big Beat, Rave, Chemical Brothers und Beastie-Geböller im uralten Bumm-Bumm-Sound, die wirklich kein Mensch mehr braucht. Jungs, laßt das Haus stehen. Aber, Schwamm drüber. Knapp sieben Jahre sind seit dem letzten Coldcut-Alburn. der Remix-Sammlung LET US REPLAY, vergangen. Solche Pausen sollten die Weltmänner des Freestyle-Mixens und Gründer des Ninja-Tune-Labels, die Miterfinder des Sample-Pop eigentlich mit links meistern. Sie sind ja immer irgendwo dabei, entweder on air, im Club, oder an der Definitionsfront für gebrochene Beats. Nach der Eröffnung trägt’s Coldcut mit einem gut geschmierten Bhangra Beat („True Skool“) weit fort, Zwischenlandung auf dem Planeten Pop. wo ein paar Sonderlinge gerade am perfekten Song arbeiten, unter Einbeziehung von frisch geschnittenen Beats. Nach drei Tracks, das lernt jedes Kind, sollte eine Platte sich langsam entschieden haben, was sie will. Bei Coldcut bleibt alles anders: Matt Black und Jonathan More lotsen Coldcut durch permanent wechselnde Stile und Soundmuster. und wenn hier nicht alles dem letzten Stand der Dinge entspricht, entschuldigen wir das mit dem beseelten Feinschliff an vielen Ecken und Kanten, dem Prinzip Coldcut also. Die knapp sechs Minuten von „Whistle And A Prayer“ klingen wie „Strawberry Fields Forever“ nach einer Behandlung durch den lieben Beat-Doktor. „Colours The Soul“ zum Finale besitzt so einen Baßlauf für die Ewigkeit, über diesen spinnen sich Melodien mit Gesang, Gitarre und Streichern – arg schön ist das. Und die Leinwand, die bei Coldcut-Sets traditionell Spielplatz für Polit-Parolen und Cut-up-Kunst ist, wird diesmal von der Homepage der Band ersetzt, auf der man sich in die SOUND MIRRORS mit all ihren Spiegelungen begeben kann. Zoom in, drop out, cutcold!

www.coldcut.net