Collateral

Liebeserklärung an Los Angeles. Reise ans Ende der Nacht. Begleitstück, Kontrapunkt und Fußnote zu dem alles überragenden HEAT. Michael Manns Rückkehr zum Thriller, zum Genrekino, zum puren Kino ist ein filmisches Bravourstück, in dem sich der Regisseur mit allen ihm gegebenen Fähigkeiten über das vorliegende Material hinwegsetzt. Aus der eigentlich geradlinigen Story macht Mann eine Charakterstudie, eine Meditation über Professionalität, eisernen Willen und Schicksal. Auf eine Nacht komprimiert, wird die Geschichte zweier Männer erzählt, die der Zufall zusammenführt: hier der gewissenhafte idealistische Taxifahrer Max, der sich mit dem Traum betrügt, eines Tages einen Limousinenservice zu eröffnen; dort der gewissenlose, pragmatische Killer Vincent, der den Auftrag hat, binnen zehn Stunden fünf Morde auszuführen. Man ahnt, was dieser Stoff in den Händen eines weniger genialen Filmemachers hätte werden können: ein Durchschnittskrimi, der ganz von der Mechanik des Plots lebt. Dass ERASER-Regisseur Chuck Russell als ausführender Produzent in den Credits gelistet wird, lässt vermuten, dass collateral auf dieses Schicksal zusteuerte, bis man Russell mit Hilfe eines Schecks vom Regiestuhl lockte und Michael Mann hineinsetzte, letzt ist die Handlung nur noch der Rahmen: collateral bedient zwar die Erwartungen (spannender Thriller), doch taucht Mann immer wieder unter die glatte, harte Oberfläche der Story und gibt Einblicke in die Psyche seiner beiden Protagonisten, die wie Yin und Yang zusammengehören. „Cool“, bemerkt ein Jazzclubbesitzer in einem trügerisch ruhigen Moment zu Vincent und Max, sei das einzige Wort gewesen, das Miles David je zu ihm gesagt habe. Cool ist das operative Wort, im Jazz-Sinn: Nur die Größten dürfen sich Improvisation erlauben, alle anderen gehen verloren. Ob in den elektrisierenden Dialogen zwischen Tom Cruise (in silbergTauem Partnerlook mit seiner Waffe) und Jamie Foxx, ob in den mit Digitalkamera gedrehten Stadtansichten einer Metropole im Zwielicht, ob in den Actionsequenzen: Michael Manns Jazzriffs sind nicht zu übertreffen, weil zwar das Thema die Melodie vorgibt, aber erst die Ausflüge in die Improvisation die ganze Pracht und Tiefe von COLLATERAL offenbaren.