Curtis Mayfield, Hamburg, Markthalle

Die vierköpfige Band, eine frisierte Booker T.& MGs-Variante (keine Gitarre, dafür ein Congas-Mann), groovt sich mit einem langen Instrumental ein. Und dann, wie sich das gehört, diese Ansage: „Open vour ears, your eves, but most of all — your hearts! Please welcome, Mr. CURTIS MAYFIELD!!!“

Frenetischer Beifall empfängt den Mann, der dem Soul das soziale Gewissen und den moralischen Anspruch ins Gepäck legte. Mayfield, im Jeans-Zweiteiler, das neckische Gangster-Käppi fast bis zum Brillenrand ins Gesicht gezogen, wirkt älter als die 44 Lenze, die sein Paß mittlerweile ausweist. Das Haar ist vorzeitig ergraut, die Hüft-Rettungsringe geben seinen langsamen Bewegungen eine eigenartige Schunkel-Note. Die Gitarre bedient er eher beiläufig, im Stil eines Vorzeige-Minimalisten.

Und da ist sie, seine fistelige Falsett-Stimme, die beständig, manchmal mehr gesprochen als gesungen, Worte zwischen die Beats zwingt und selbst seinen traurigsten Songs, etwa dem Junkie-Epos „Freddie’s Dead“, eine merkwürdige, schwere, teils schwer erträgliche Süße verleiht.

Mit „Mighty Mighty Spade And Whitey“ beginnt der Trip in Mayfields Zeitmaschine. Die Musik ist leicht psychedelisierter 70er-Jahre-Soul mit Gospel-Tönung, die Botschaft kommt aus der Dekade davor: Love & Peace, die Vision einer besseren Gesellschaft, all das Zeug halt, das man nur noch wenigen abzukaufen bereit ist. Mayfield schon. „It’s Alright“. Der Freitagabend wird zum Sonntagmorgen, die Markthalle zum Gotteshaus, als Curtis einem willigen Publikum im Call & Response sogar eine paar „Amen’s“ entlocken kann.

Dann „I’m So Proud“, eins der schönsten Liebeslieder überhaupt, gefolgt von einem kurzen Ausflug in die „Superfly“-Phase („Freddie’s Dead“, „Pusherman“). Es geht aufs vorläufige Ende zu, mit einer schlichten, wunderbaren „People Get Ready“-Lesung, einem zerfaserten „Move On Up“. bei dem die Band schneller fertig werden möchte als der Boß. Der kommt noch zweimal aus der Garderobe gewackelt, reckt beim Mutmacher „Keep On Keepin‘ On“ zaghaft das Fäustchen in die stickige Luft und hat die Schiebermütze gegen ein Afrika-Forscher-Toupet eingetauscht, als er mit einer ergreifenden Gospel/Liebes-Ballade den endgültigen Schlußpunkt setzt: „Time make you suffer, when seasons change …“ Curtis Mayfield hat sich kaum verändert, und das tat soooo gut…