Danebenleben :: Lachschreitrauer

Was Jess Jochimsen ist, weiß niemand genau zu sagen: Komiker? Dichter? Kolumnist? Musiker? Fotograf? Witzmelancholiker? Alles ein bisschen und doch nicht ganz und irgendwie anders, je nachdem, aber wie auch immer, er ist: gut, Nennen wir ihn für heute hilfsweise einen Weltbeobachter/Welterzähler und lassen wir uns von ihm zeigen, wie und was Deutschland ist, abseits all der Trubelfeiern, „Kraftakte“ und Nationalstolzierereien, die, je lauter sie werden, desto verzweifelter wirken in ihrem brüllenden Be-mühen, die reformistisch vorangetriebene intellektuelle und materielle Verelendung von Welt und Fünftel ihrer Bevölkerung zu Jubel maskieren. Ratlos stehen wir vor lebensfeindlichen Hausfassaden, armseligen Reklameunfällen, heulerbärmlichen Privatdekorationen, zum Schreikichern traurigen Versuchen, der Existenz im betonierten Nichts etwas abzuringen, was wie Leben wirkt oder wenigstens ähnlich aussieht wie das, was einem Bildzeitung und RTL als Leben andrehen. Es ist zum Kopfschütteln, was Jochimsen uns zeigt, aber weder ist er ein schadenfroher Voyeur, noch macht er uns zu solchen, indem er vorführt, aus- oder bloßstellt. Er sammelt einfach, und weil hinter all dem bildlichen Strandgut unserer Gegenwart keine weitere Absicht steckt als zu zeigen, werden die scheinbar so konkreten Darstellungen immer und erstaunlich mehrdeutig, bis sie endlich ganze Geschichten erzählen, jedes für sich, aber auch mehrere und alle in Wechselwirkung. Dass ein Bild mehr sage als tausend Worte, ist dermaßen altes Phrasenstroh und in der Bildernut, die täglich auf unser evolutionär überfordertes Hirn einstürzt, auch so oft falsch, dass wir fast vergessen haben, was ein Bild wirklich ist. Hier lernen wir es wieder, an einem Schild mit der Aufschrift „WC Lehrerinnen + Behinderte“, an einer „Samen-Handlung“, die nebenbei „Brautmoden“ anbietet, an geschlossenen Trinkhallen, sinnlosen „Infos“, Plastikblumen hinter Gittern, an leeren, verwahrlosten, öden Ecken und Plätzen, die nicht leer, verwahrlost, öde sein woll(t)en. Und dabei erkennen wir, dass das einzige Mittel gegen all das Elend die Liebe ist, noch zur unscheinbarsten, lächerlichsten, peinlichsten menschlichen Bemühung, weil Leben eben nur danebengehen kann.

www.jessjochimsen.de