Das heroische Leben des Evgenij Sokolov

Serge Gainsbourg hielt sich selbst nicht für einen schönen Mann – und hatte doch, wie man so sagt, einen gewissen Schlag bei den Frauen. Doch seine körperlichen Defekte hielten sich in Grenzen, verglichen mit dem Helden seines einzigen Romans: Der arme Evgenij Sokolov ist damit geschlagen, ganz besonders schlimm furzen zu müssen. Der Kritiker ist nun versucht, den Autoren mit Synonymen für diesen körperlichen Vorgang übertreffen zu wollen – allein, es würde wohl kaum gelingen; den Übersetzer werden all diese „Winde“, „Kampfgase“, „Fumarolen“ bis in seine Träume verfolgt haben…

Vom Krankenbett aus jedenfalls erzählt Sokolov sein Leben. Als Kind lernte der junge Sokolov, seine Fürze herauszuzögern; doch in der Militärzeit kommt ihm diese Fähigkeit abhanden, da er unter kasernierten jungen Männern als Meisterfurzer ein gewisses Ansehen erlangt. Später hält er den Verlauf seiner Fürze mit einer Art Fieberkurve fest. Diese Diagramme werden zu begehrten Kunstwerken und machen ihren Schöpfer zu einem umschwärmten Teil der besseren Gesellschaft – in der er sich stets in Begleitung eines Hundes bewegt, auf den die unweigerlich auftretenden Geräusche und Gerüche geschoben werden.

Gerade in diesen Passagen lässt sich „Das heroische Leben des Evgenij Sokolov“ durchaus als Parabel lesen auf gewisse Tendenzen der Kunstwelt, in der die Unterscheidung zwischen ganz speziellem individuellen Ausdruck und Freakshow schwer wird. Ganz sicher werden aber Erfahrungen von Serge Gainsbourg als gefeierter Sänger, Songwriter und Provokateur eingeflossen sein. 1980, als dieser schmale Band erstmals erschien, war Gainsbourg als Bürgerschreck in Frankreich schon fast institutionalisiert. An der Provokationsschraube musste weiter gedreht werden: die Nationalhymne als Reggae, Whitney Houston im Fernsehen angraben, einen Inzestsong mit der Tochter singen.

Ein Roman über einen notorischen Furzer passt in die Reihe. Aber es liest sich höchst vergnüglich und stellt die Frage, was damals in Frankreich eigentlich, nun ja, in der Luft lag. Denn fast gleichzeitig drehte Louis de Funès seinen Film „Louis und seine außerirdischen Kohlköpfe“, in dem Außerirdische angelockt werden durch, na was wohl: Fürze.