Das Netz der 1000 Augen

Und noch ein französischer Film. Auch ein Reißer zwar, aber einer von ganz anderer Machart. Einer, bei dem Dialoge wichtig sind und schauspielerische Leistungen. Einer, der eine Geschichte hat, die nicht alles löst, wenn sie zu Ende ist – einer, bei dem man ins Nachdenken kommt.

Trintignant spielt erneut einen Gejagten: David, einen Mann, dessen Geschichte erst in den letzten Minuten des Films wirklich aufgedeckt wird. Marlene Jobert und Philippe Noiret stellen ein sympathisches Paar dar, das sich in eine Berghütte zurückgezogen hat, um in der Abgeschiedenheit wieder zu sich selbst zu finden. In diese Hütte dringt der entflohenene Häftling David ein. Er erzählt dem Paar eine merkwürdige Geschichte: Da er Mitwisser eines Geheimnisses sei, werde er aus Gründen der Staatssicherheit in Dauerhaft gehalten und müsse jederzeit auch mit völliger Sean Connery als Piraten-Sultan Raisuli hat eine Amerikanerin (C. Bergen) entführt.

Liquidierung rechnen. Julia und Thomas schwanken, ob sie David glauben sollen. Wer ist er wirklich? Ein Spion, ein Mörder, ein unschuldig Verfolgter, ein Verrückter oder vielleicht einer, der ganz einfach die Wahrheit erzählt?

Jedenfalls gibt sein Erscheinen dem harmonischen, aber ereignislosen Leben von Thomas und Julia plötzlich Inhalt. Beide entwickeln eine eigene Verhaltensweise ihrem merkwürdigen „Gast“ gegenüber, beide sind bereit, ihm zu helfen. Der Entschluß, David über die Grenze nach Spanien zu bringen, erscheint zuerst als sehr willkommene Gelegenheit zu einem prickelnden Abenteuer. Noch während Thomas die Vorbereitungen trifft, baut sich die Gefahr in Form einer polizeilichen Großfahndung auf. Was als Suche nach einem anderen aussieht – dem angeblich aus einer psychatrischen Klinik ausgebrochenen Francois Guillieto -gilt in Wirklichkeit David. Dieser ist es dann auch, der die Finte der Polizei genau richtig vermutet.

Noch ehe Julia Thomas bewegen kann, aus diesem inzwischen lebensgefährlichen Abenteuer auszusteigen, erfüllt sich das tödliche Geschick aller drei Mitwisser. David, so stellt sich heraus, hat tatsächlich die Wahrheit gesprochen und damit alle, die mit ihm in Berührung gekommen sind, in die gleiche Gefahr gebracht. Und wieder sitzt einer unschuldig in einer Zelle: Julias Bruder, von ihr in die Geschehnisse eingeweiht und dadurch zum Sicherheitsrisiko geworden. Wieder einer, der im Grunde nichts weiß aber doch schon zuviel weiß.

DAS NETZ DER 1000 AUGEN ist ganz gewiß kein bequemer Film. Ganz bewußt wurde darauf verzichtet, ihn tiefer als nötig in eine bekannte Kulisse zu setzen, weil er eben Allgemeingültigkeit bekommen sollte. Die Schauspieler liefern ebenso hervorragende Arbeit wie der Regisseur, der sich durchaus einen Vergleich mit Costa Gravas gefallen lassen kann, wenngleich er längst nicht politisch so vordergründig arbeitet. Dieser Film jedenfalls geht unter die Haut.