Dear Boy von Tony Fletcher

Am 7. September war es 30 Jahre her, dass Keith Moons Kampf gegen die Welt und sich selbst geradezu skandalös unspektakulär endete: Der Who-Trommler, nach Meinung vieler der größte Rockschlagzeuger überhaupt, nach Meinung praktisch aller das größte Chaos-Genie der Weltgeschichte, wachte von einer Überdosis Tabletten gegen Alkoholismus nicht mehr auf, und nicht wenigen wurde durch seinen Tod erst klar, dass er noch gelebt hatte-und gerade mal 32 Jahre alt war, nicht 52, wie er zeitweise äußerlich wirkte. Moons musikalische Revolutionen, selbst sein komödiantisches Genie verblassten in den Augen der Zeitgenossen im Schatten seines Wahnsinns, seiner unfassbaren Stunts und Spinnereien, die für alle Zeiten Maßstäbe setzten (und mehr als einmal tödlich endeten). Nicht nur ihre Aufzählung, vor allem auch das mentale, biografische und psychologische Großrätsel dahinter ist allemal ein Buch von 750 Seiten wert und hätte auch das Doppelte gerechtfertigt. Leider aber wird Tony Fletcher im Laufe seiner Arbeit vom Herkules zum Sisyphos – schon das Vorwort ist überlang, ohne Wesentliches zu berichten, und auch im weiteren Verlauf gerät man immer wieder ins Blättern, um nicht jedes Detail fünfmal weitgehend identisch belegt und kommentiert zu kriegen. Hut ab vor Fletchers Akribie, Hut wieder auf angesichts seiner Unfähigkeit, die Erkenntnisse zu destillieren und in eine Erzählsprache zu fassen, deren Konsum sich nicht anfühlt wie der Versuch, eine Bürste zu schlucken. Die miserable deutsche Übersetzung macht das Ganze aber erst wirklich schlimm- in dieser Form ist das zweifellos verdienstreiche Werk so gut wie unlesbar. Schade.

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