Deep In Techno :: Von Marcel Feige
SCHWARZKOPF & SCHWARZKOPF. 550 SEITEN, DM 29.80
Es ist das immergleiche Lied: Erst kam Elvis, dann Pat Boone. Die Beatles spielten ursprünglich für besoffene Matrosen, die Monkees bereits für die ganze Familie. Die Sex Pistols sorgten für Entrüstung, doch auch Punk geriet zur Posse, als Sicherheitsnadel-Ohrklips bei Hertie auf dem Wühltisch landeten. Warum sollte es also der elektronischen Musik besser ergehen? Und das auch noch in jenem Zeitalter, in dem die Industrie schon lange nicht mehr nur reagiert, wenn der Underground mal wieder etwas Verwertbares abwirft, sondern eifrig mitbastelt an Trends, Hypes und der Hose zur Platte zum Film zur Zigarette. Dafür, dass Marcel Feige nicht so tut, als wäre mit Techno alles anders, gebührt ihm großes Lob. Denn die Jubelarien, die Techno-Macher und -Schreiber so häufig auf ihre Musik, ihren Lifestyle und letztendlich sich selbst sangen, kann keiner mehr hören. Dieses drollige „Schöne neue Welt“-Gelaber von glücklich und tanzend vereinten Menschen aller Kulturen, die sich die Technologie Untertan machen und gesponsert von Kippenund Klamottenherstellern global total viel Fun haben. Nein, Feige ist ehrlich. Er erzählt minutiös, wie, wo und warum Techno geboren wurde, verschweigt aber auch nicht, dass es vom kreativen Underground Detroits und Chicagos bis zum platten Kinderkacke-Techno kein allzu weiter Weg war. Sechs, sieben Jahre genügten. Genau wie bei den Beatles und den Monkees-was den Hütern ewiger Werte der Rockmusik („Clapton kann wenigstens noch Gitarre spielen“), die Maschinenmucke ohnehin für tot, kalt und fürchterlich kommerziell halten, zu denken geben sollte. Feige versteht es, die Entwicklung von House, Techno, Jungle, Drurn’n’Bass und zahllosen Nebengenres kompetent und konsequent darzulegen: Tiefgründig genug auch für Spurensucher und Chronisten, aber weit entfernt von öden Vorträgen über die „Jugendkultur der neunziger Jahre“, die vor lauter Theorie ganz vergessen, dass es sich um Tanzmusik handelt, die in erster Linie Spiel, Spaß und Spannung verbreiten soll. Marcel Feige belehrt und beschönigt nicht, er erzählt, und zwar ziemlich unterhaltsam. Angenehm fällt auf, dass er nicht einmal dann in Bitterkeit verfällt, wenn er vom Ende der Party berichten muss, von Mark’Oh beispielsweise. Weinerlich vorgetragene Klischees von der bösen, gierigen Hitmaschinerie, die schlechte Sounds an arglose Kinder verkloppt, bleiben außen vor, denn Feige ist offenbar das, was man gemeinhin einen Realisten nennt.
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