Deep Purple :: Shades
Ohne Zweifel haben sich Deep Purple einen Platz im Rock ’n‘ Roll-Olymp verdient. Eine Retrospektive der mehr als drei Dekaden währenden Band-History war längst überfällig. In die Bresche springt einmal mehr das Spezialisten-Label Rhino. Mit dem nur als Import erhältlichen 62 Tracks starken 4-CD-Set Shades gelang ihnen allerdings nicht die ultimative Songkollektion. Doch als Karriere-Überblick genügt das Sammelsurium aus seltenen Single-Tracks, raren Demos, unveröffentlichten Outtakes, Live-Performances plus 56seitigen Booklet allemal. Obwohl sämtliche Purple-Line-Ups berücksichtigt wurden, liegt der Focus auf der Ära der legendären Mark II. Jener Formation, der 1970 der Durchbruch gelang und durch die sich das Hard Rock-Genre quantensprungartig weiterentwickelte. Die chronologisch aufgebaute Sammlung nimmt auf drei CDs die Jahre 1968 bis 1976 unter die Lupe. CD 4 widmet sich der Ära nach dem ’84er Purple-Comeback. Neun Songs aus der frühen Phase lassen den späteren Purple-Sound noch nicht erahnen: sämtliche US-Singles („Hush“, „Kentucky Woman“, „River Deep – Mountain High“, „Emmaretta/This Bird Has Flown“), zwei Demoversionen („Shadows“,“Love Help Me“) sowie einige herausragende Tracks der drei ersten Longplayer. Mit der fünften 45er, „Hallelujah (I Am The Preacher)“, schwamm Deep Purple nicht nur erfolgreich auf der damaligen „Jesus“-Welle, sondern präsentierte sich auch erstmals in neuer Besetzung. Von da an sollte nichts mehr sein, wie es war. Der zwischen Richie Blackmores heulender Fender Stratocaster und Jon Lords filigranen bis stakkatoartigen Keyboardeinlagen gelagerte Balanceakt trieb in den kommenden Jahren die Dezibel-verliebte Formation von Höhepunkt zu Höhepunkt: „Black Night“ genoß 1970 europaweit Top-Single-Chartstatus, gleichfalls der Nachfolger „Strange Kind Of Woman“. Das zugehörige Album IN ROCK hielt sich über ein Jahr in den britischen Charts. Doch der europaweite Durchbruch war eine zweischneidige Angelegenheit: Die Mehrheit, der auf Wuchtbrummer-Sound abonnierten Fans, zeigte sich bei Songmaterial, das nicht so leicht zwischen den turbogetriebenen „Speed King“ und die Drogen-Atmo von „Child In Time“ paßte, als Ignoranten was letztlich auch für den Rückzug von lan Gillan und Roger Glover verantwortlich war. Wesentlich abwechslungsreicher angelegt, zündete der Nachfolger FIREBALL zwischen Countryeinflüssen („Anyone’s Daughter“), adrenalingetriebenem Power-Rock („Demon’s Eye“) und cleveren Arrangements („Fools“). Mit MACHINE HEAD ging man daher auf Nummer sicher: der Riffreißer schlechthin, „Smoke On The Water“, ergänzt sich mit hart bretternden Hymnen wie „Highway Star“ und „Space Truckin'“. Doch die ersten Ermüdungserscheinungen ließen nicht lange auf sich warten: WHO DO WE THINK WE ARE! wirkt überspannt und ausgelaugt. Trotz passabler Songs wie „Woman From Tokyo“, „Super Trouper“, oder die an die ultrakonservative Unterhausabgeordnete Mary Whitehouse gerichtete Attacke „Mary Long“, ließ sich die Stagnation nicht länger kaschieren. Die überfällige Frischzellenkur folgte in Form des Doppelgespanns David Coverdale und Glenn Hughes, die Gillan und Glover ersetzten. Eine ganz eigene Note mit ungewohntem Blue-Eyed-Soul-Feinschliff kennzeichnet inspiriertes Material wie „Burn“ oder „Sail Away“. Doch die Mark III war nur ein Strohfeuer. Eine weitere Wachablösung sollte das Hard-Rock-Flaggschiff nicht mehr überstehen: Tommy Bolins pointierte Funk-Pirouetten auf der Gitarre halfen 1976 nicht, den reizlosen Gemischtwarenladen COME TASTE THE BAND aus der Mittelmäßigkeit zu manövrieren. Deep Purple lösten sich auf, und erst ein knappes Jahrzehnt später kamen die alten Streithähne der Mark Il-Besetzung wieder zusammen. Voll Euphorie hakte sich Ritchie Blackmore bei seinem Intimfeind Ian Gillan unter und bemerkte beim Release von PERFECT STRANGERS ironisch: „Eigentlich ist es das ’74er Album, das wir nie gemacht haben.“ Musikalisches Neuland betraten die Veteranen aber mit keiner ihrer Produktionen mehr.
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