Delbert McClinton – Plain‘ From The Heart
Rriiingg – Noch ehe der erste Büro-Kaffee mein Gehirn auftauen konnte, reißt mich der schrille Ton des Telefons aus dem morgendlichen Halbschlaf beim Postdurchsehen: „Hospelt!“ – „Hi, Sundance, hier ist Butch.“ – „Ach, Axel, wie geht’s?“ – „Danke gut, hab’n Rätsel am Morgen für dich: Vor etwa ’nem halben Jahr gab’s im ME ’ne Platte, die fünf Sterne gekriegt hat und lange in den Redaktions-Hits war. War sogar mal Nr. 1.“ – „Warte.“ Die ersten grauen Zellen regen sich. „Delbert McClinton ?“ frage ich. „Genau Alter. Hab’ne Cassette seiner neuen LP da. Noch besser, weil noch souliger mit fetzenden Bläsern. Warte mal, ich spiel sie dir über’s Telefon vor“, sagt er und reißt seine Anlage auf. „Überzeugt?“, fragte er nach drei Stücken. – „Und wie!“, entgegne ich in meinem Stuhl swingend.
Auch der Rest der Songs hat das gehalten, was Axel versprochen hat. Da Delbert McClinton ein gefühlvoller, schwarz angehauchter Sänger ist und mit der Muscle Shoals-Rhythm Section und den Muscle Shoals-Horns eine verschärfte Band im Rücken hat (Produzent wieder Barry Beckett), kann er sich sogar an Stükke der Soulgrößen Otts Redding („I’ve Got Dreams To Remember“) und Wilson Pickett („In The Midnight Hour“) heranwagen. Weitere Fremdstücke stammen von Frankie Miller („A Fool In Love“, „Heartbreak Radio“) – auch keine leichte Aufgabe, die Delbert jedoch ansprechend meistert. Einer meiner momentanen Favoriten ist der schnelle „Rooster Blues“ von Jerry West – alleine schon der scharfen Bläser wegen.
Doch auch die Freunde der unter die Haut gehenden Balladen kommen bei PLAIN‘ FROM THE HEART auf ihre Kosten. Die LP lebt. Wie auch von den vorzüglichen Soul-Platten der Sechziger Jahre, an denen Delbert sich orientiert hat, geht von ihr ein warmes, anregendes Gefühl aus. Musik, bei der ich nicht ruhig dasitzen kann tanzen – mitswingen – singen muß. Für den Weißen (!) Delbert McClinton ist diese LP eine Bravourleistung – ein Leckerbissen für alle Soul-Men und -Women. Soul ist wieder im Kommen. Warum auch nicht. Schließlich war er wohl mit das Beste, was der Musik je passiert ist.
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