Der Morgen Stirbt Nie
Hat man James Bond jemals so unentspannt gesehen wie in „GoldenEye“? Weil die Produzenten nach sechsjähriger Pause Angst hatten, der alte 007 könne mit den Actionhelden der 90er Jahre nicht mithalten, wurde kräftig gerührt und geschüttelt, um aus dem einstmals in allen Lebensfragen gewandten Geheimagenten einen kantigen Triebtäter mit nervösem Zeigefinger zu machen. Viel Zeit für amouröse Abenteuer blieb dem fünften Bond-Darsteller Pierce Brosnan jedenfalls nicht: Das Töten nahm ihn viel zu sehr in Anspruch. Ich freue mich, berichten zu können, daß Englands seit nunmehr 36 Jahren zuverlässigste Geheimwaffe nach dem kommerziellen Erfolg von „GoldenEye“ jetzt wieder ein bißchen gelassener und spielerischer sein darf. Das tut Pierce Brosnan, einem idealen Bond, der noch besser ist, wenn er nicht pausenlos mit zusammengebissenen Zähnen agieren muß, gut – und auch der Film, der 18. der Reihe, profitiert von dem Mehr an Humor und Gadgets. Natürlich kommt auch die Action nicht zu kurz: Vor allem eine Motorradverfolgungsjagd über Balkone und Dächer überzeugt restlos.
Wer darüber hinaus nach Neuem fahndet, sollte nicht bei der Handlung zu suchen anfangen. Da gibt’s nämlich das übliche: Ein Größenwahnsinniger (diesmal ein Medienmagnat-überzeugend: Jonathan Pryce) bedroht die Welt (um die Auflage seiner Zeitung „Der Morgen“ zu steigern, plottet er den Dritten Weltkrieg), und nur Bond kann ihn bremsen. Ungewohnt und erfreulich ist hingegen, daß man dem Martini-Connoisseur die Hongkong-Chinesin Michelle Yeoh als asiatisches 007-Gegenstück vorgesetzt hat, die ihm ein ums andere mal die Butter vom Brot nehmen darf. Das beweist auch, daß eine Jane Bond längst überfällig war in einer Welt, in der Männer wie Bond, James Bond, längst ein Anachronismus sind. Aber das wußten wir ja sogar schon vor „GoldenEye“.
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